leben in funnyland
: yves eigenrauch über kindliches treiben

A LA RECHERCHE DU TEMPS PERDU

mein fünfjahresbuch. als ich klein war, kleiner als fünf jahre, wohnten wir in einer mietwohnung in einem mehrfamilienhaus mit hinterhof. die kellerräume waren von außen über eine treppe zu erreichen. auch besaß ich damals einen trettrecker.

so weit ich mich erinnern kann, hatte er vorne eine schaufel und war blaugrau. gerne muss ich mit meinem gefährt umhergefahren sein, gerne fragte ich damals meine mutter: „mama, soll ich? mama, soll ich?“ sie hing wäsche auf, ich fuhr in richtung kellertreppe, als ich die verhängnisvolle frage stellte. noch ehe mir geantwortet werden konnte, packte ich die chance beim schopfe und stürzte mich und meinen trecker die stufen hinunter; offensichtlich nicht damit rechnend, dass eine einen keller verschließende stahltür ein problem darstellen könnte. die runde ging an die tür, und noch heute ist mir das ereignis eine erklärung für die art meines seins.

ich wurde älter, kam in die schule. besonders schön waren die sommerferien. ich spielte mit playmobil, mit lego, auch puppen fanden mein interesse. gerne war ich cowboy und agent. so richtig mit ballerplätzchen und pistole.

zu erzählen wäre auch, dass mich meine damalige klassenlehrerin irgendwann einmal ohrfeigte. wenn es berechtigt gewesen wäre, im eigentlichen sinne, hätte ich es gut vertragen. so aber bin ich noch heute sauer. deutscharbeit, die hefte mit den noten werden ausgeteilt. welche ich hatte, weiß ich nicht mehr, aber dass mir ein fehler angestrichen wurde, der keiner war, schon. irgendeinen buchstaben schrieb ich undeutlich, die strafe folgte in form der korrektur. vielleicht ahnte die frau die richtigkeit des geschriebenen, wollte mich nur disziplinieren, in zukunft sauberer zu schreiben.

nicht nur auf den inhalt kommt es an, auch auf dessen präsentation. als hätte ich es nicht schon seit langem gewusst. damals allerdings noch nicht. in dem bewusstsein, im recht zu sein, und aus heutiger sicht auch ziemlich blöd, fummelte ich mit meinem tintenkiller an dem beanstandeten buchstaben herum, bis ich glaubte, dass nun jede die richtigkeit des geschriebenen erkennen würde. das einzige, was zu erkennen war, war der tintenkiller. und kurze zeit später eine gerötete wange. bis dahin spielte ich ball, häufig fußball. auf der straße, dem schulhof, aber auch auf dem fußballplatz.

zu der zeit, da ich beim sportverein minden null fünf spielte, begab es sich, dass unsere mannschaft eine saisonabschlussfahrt machte. wir fuhren an die nordsee auf einen campingplatz. übernachtet wurde in großraumzelten. tagsüber spielten wir, auch fußball, abends schliefen wir. doch vor dem schlafen wurde gesprochen, wurden blöde witze gemacht, wie es häufig ist, auf kosten und über andere.

ziel der scherze waren ein türkischer mitspieler und ich. mein hauptfehler lag darin, sehr lange glatte blonde haare zu haben und durchaus wie ein mädchen auszusehen. lasst uns raten. der hauptfehler des türken lag darin, türke zu sein. daran, was über mich gesagt wurde, kann ich mich nicht mehr genau erinnern. stattdessen ist mir aber noch sehr genau im kopf, wer was zu dem mitspieler gesagt hat. mehr wer als was. was: „türke mach den deckel zu.“ welchen sprachwitz ich den martins, marcussen und holgern aus heutiger sicht zugestehen muss, diese analogie zur mülltonne erkannt zu haben. erinnern kann ich mich auch daran, dass der trainer, auf die frage hin, warum er nichts gesagt habe, schließlich hatte er im benachbarten zelt alles hören können, antwortete, er wollte die allgemeine stimmung nicht verderben.

die weiteren jahrfünfte verkürze ich. ich passe mich an. ein späterer mitspieler, nennen wir ihn günter s., war irgendwann sehr genervt. zu oft hatte ich ihm im trainingsspiel den ball weggenommen, auf dass er sich veranlasst sah, mir bei einem folgenden einwurf das spielgerät aus zwei meter entfernung ins gesicht zu werfen. ich glaube, er fand sich ganz schön toll. profi halt. da muss man den jungen spielern zeigen, wo es lang geht. sonne.

später lernte ich dann auch, ein auto anzumelden. noch später versah ich mein damaliges auto, einen sehr hübschen weißen slk, mit dem kennzeichen: gelsenkirchen ra 7777. ausdruck meiner ratlosigkeit!? die ansätze, wie ich sie bisher lernte, kann ich jedenfalls nachvollziehen. wie kann ich etwas ändern?

Hinweis:

yves eigenrauch, 28, ist fußballprofi bei schalke 04, fotokünstler und hat noch immer eine offene rechnung mit seiner klassenlehrerin