CLINTONS SÜDASIEN-REISE SIGNALISIERT EINE NEUE US-STRATEGIE
: Partnerwechsel

„Den gefährlichsten Boden der Welt“, nannte Bill Clinton Südasien, bevor er sich zu Wochenbeginn anschickte, die Region für sechs Tage zu besuchen. Zwei Staaten stehen sich dort gegenüber, die viermal gegeneinander Krieg geführt haben und nun auch über Atomwaffen verfügen. Der Versuch einer Annäherung zwischen Indien und Pakistan im letzten Jahr ging nur Monate später in einen Invasionsversuch über. Die kriegsgefährdete Region scheint nicht der ideale Ort für Clinton, sich noch einmal mit dem Lorbeer eines Frieden stiftenden Staatsmanns schmücken zu können.

Im Konflikt um Kaschmir ist eine Vermittlung erst gar nicht willkommen. Indien lehnt sie ab, weil es keiner Drittpartei über den Weg traut. Und dem alten Verbündeten Pakistan, der eine Vermittlung herbeisehnt, traut Washington nicht über den Weg. Denn wenn Pakistan Kaschmir einfordert, weil es von Muslimen bevölkert wird, gibt es nichts mehr, was Islamabad im Erfolgsfall davon abhalten wird, weitere islamische Regionen einzufordern.

Die Antwort auf die Frage nach dem Zweck der Südasienreise gibt in Wahrheit der Besuchskalender: Neben einem eintägigen Abstecher nach Bangladesch wird Clinton vier Tage in Indien verbringen – und vier Stunden in Pakistan. Die einseitige Reiseplanung hat gewiss auch mit der Größe Indiens zu tun, mit dessen wirtschaftlichem Gewicht und nicht zuletzt mit dem romantischen Bild, das sich die Präsidentenfamilie von diesem armen reichen Land macht. Die Reise soll auch eine Maßregelung für den Militärdiktator in Islamabad sein, der Anstalten macht, den demokratisch gewählten Regierungschef aufs Schafott zu bringen.

Doch der eigentliche Reisezweck ist die Bereinigung der Gegnerschaft des Kalten Krieges. Pakistan ist als Bollwerk an der Südflanke der Sowjetunion nicht mehr gefragt, als Garant eines gemäßigten Islam in der Region hat es selbst abgedankt, und seine politische Instabilität hat auch die wirtschaftlichen Grundlagen erschüttert. Indien dagegen hat sich, trotz fortwährender struktureller Armut, mit wirtschaftlichen Reformen gestärkt. Es hat sich mit Atomwaffen zudem jenes Symbol angeeignet, das trotz Abrüstungsgesängen aus dem Westen dort immer noch als die stärkste Machtwährung akzeptiert wird. Die USA wollen mit diesem Indien ins Geschäft kommen – wirtschaftlich, politisch, und vor allem strategisch. Der Gegner ist nicht mehr der Indien-Alliierte Sowjetunion, sondern Indiens alter – und Washingtons zukünftiger – Rivale: China. Clintons Indien-Reise bezeichnet deshalb den Beginn einer neuen US-Strategie in der Region Südasien. BERNARD IMHASLY