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: Trainer unmutig über Lauschangriff der NBA

DIE MIKROFON-ATTACKE

Für Butch Carter, den Trainer der Toronto Raptors, lief das vergangene Wochenende ziemlich gut. Erst gewann sein Team in letzter Sekunde durch einen Dunking von Superstar Vince Carter und dann erließ ihm die National Basketball Association (NBA) auch noch 100.000 Dollar Strafe.

Dieselbe Erleichterung widerfuhr Paul Westphal, Trainer der Seattle SuperSonics. Die Liga hatte Seattle und Toronto vor einer Woche zu den drastischen Strafen verdonnert, weil sich die Coaches geweigert hatten, während Spielübertragungen Mikrofone zu tragen. „Es gibt zu viele Dinge, die man in der Hitze des Gefechts sagt“, erklärte Carter seine Ablehnung. „Ich will nicht trotzig sein“, meinte Westphal, „aber so kann man nicht coachen.“

Beide Trainer waren so entschieden gegen den Lauschangriff, dass sie sogar anboten, die 100.000 aus der eigenen Tasche zu zahlen. Unterstützt wurden sie von den meisten ihrer Kollegen. Als Erster hatte sich Pat Riley von den Miami Heat geweigert, ein Mikro zu tragen. Jeff Van Gundy, Headcoach der New York Knicks, sagte: „Man könnte sich auf dem Platz prügeln und würde kein so hohes Bußgeld bekommen.“

Nach der massiven Kritik bot die NBA einen Kompromiss an: Bis zum Ende der Saison wird den Coaches freigestellt, die Mikros zu tragen. Wenn sie es ablehnen, wird während der Auszeiten ein Mikrofonarm in den Spielerkreis gehalten. Auch das können die Trainer per Handzeichen verhindern. „Das ist okay“, meinte Van Gundy, „so lief das schon in der letzten Finalserie.“

Nun droht allerdings schon wieder neuer Streit. Ab dem 1. April sollen bei einigen Übertragungen auch Kameras in den Umkleideräumen installiert werden. „Mir geht es da wie allen anderen auch, ich denke, das alles ist lächerlich“, sagte NBA-Legende Larry Bird, inzwischen Coach der Indiana Pacers. „Nächstes Jahr werden sie wahrscheinlich Computerchips in unsere Ärsche einbauen, um uns das ganze Jahr überwachen zu können.“

Bird hatte auch gleich einen Vorschlag, wie man Übertragungen aus der Kabine verhindert: „Ich lasse einfach meine Jungs da nackt rumsitzen, damit hat sich die Sache.“ Die Liga will nach den Finals wieder neu mit der Trainervereinigung verhandeln. Man werde, so Russ Granik, ein Assistent von NBA-Chef David Stern, „ein ganzes Sortiment an Themen noch einmal neu diskutieren müssen“. Der Grund: Die TV-Sender setzen die NBA unter Druck, das Produkt attraktiver zu gestalten, da die Einschaltquoten im Vergleich zur letzten Spielzeit um 16 Prozent gesunken sind.

Van Gundy sagt: „Jeder hätte gern höhere Quoten, aber ich glaube, die Menschen kaufen ein Produkt wegen des Produkts und nicht wegen der Verpackung.“ Genau hier dürfte sich der Coach der Knicks täuschen. Denn durch eine konsequentere Regelauslegung wurde Defensiv-Basketball erschwert, was mehr Korberfolge brachte.

Zudem werden Nachwuchsstars wie Kobe Bryant von den Los Angeles Lakers und vor allem Vince Carter endlich dem Medien- und Werbe-Hype gerecht, der schon vorher um sie veranstaltet wurde. Es wird durchgehend besserer Basketball geboten, die Quoten sind trotzdem im Keller.

THOMAS WINKLER