„Studiengebühren kommen bald“

Niedersachsens Wissenschaftsminister Thomas Oppermann (SPD) ist sich sicher, dass „Bummelstudenten“ bald überall zur Kasse gebeten werden. Und das ist auch gut so: Denn er findet das bezahlte Studium viel gerechter als das gebührenfreie

taz: Herr Oppermann, Sie wollen, dass sich Studierende an der Finanzierung der Hochschulen beteiligen. Warum?

Thomas Oppermann: Die Hochschulen sind stark unterfinanziert. Es fehlen zwei bis vier Milliarden Mark, die weder die Länder noch der Bund aufbringen können. Das fehlende Geld wirkt sich direkt auf die Qualität aus: Hierzulande muss sich ein Professor im Schnitt um 60 Studierende kümmern, an guten amerikanischen Universitäten kann er sich auf 20 konzentrieren. Das führt dazu, dass in Deutschland zu lange studiert wird.

Und da sollen ausgerechnet Gebühren helfen?

Über moderate Studiengebühren von 1.000 Mark pro Semester für finanziell leistungsstarke Gruppen könnten wir mehr Mittel für die Universitäten mobilisieren – das heißt die Qualität des Studiums verbessern und die Zeit bis zum Examen verkürzen. Unterm Strich könnten die Studierenden mit Studiengebühren sogar Geld sparen.

Wie das?

Ein Studium kostet einen Studierenden allein 100.000 Mark an Lebensunterhalt. Wenn sie aber eineinhalb Jahre früher ihr Diplom in der Tasche haben, dann geben die Studierenden weniger aus: Sie sparen 15.000 bis 20.000 Mark. Und beginnen obendrein früher damit, mit ihrem Wissen Geld zu verdienen.

Sie haben einmal gesagt, das herrschende Gratisstudium sei unsozial. Was ist denn bitte an Gebühren so schrecklich sozial?

Sie würden für etwas mehr Gerechtigkeit sorgen, weil diejenigen für die Uni bezahlen, die sie wirklich benutzen. Bisher ist es so, dass die Ausbildung eines Mediziners 75.000 Mark jährlich kostet. Das bezahlt der Staat – also der Steuerzahler. Das heißt, die Verkäuferin und der Facharbeiter zahlen dem Arztsohn das Studium.

Aber warum sollen die StudentInnen Geld für ein Produkt bezahlen, das auch in Ihren Augen nicht durchgehend top ist? Das ist weder ökonomisch logisch noch gerecht.

Nun mal langsam. Eine für den Staat teure Hochschulausbildung kostet den Studierenden jetzt genauso viel wie Luft – nichts. Wenn ich 1.000 Mark verlangen würde, dann wären das gerade mal 10 Prozent des günstigsten Studienganges. Das ist so moderat, da können Sie doch nicht von ‚Preisen‘ sprechen.

Gesetzt den Fall, es gäbe Gebühren: Wie wollen Sie sicherstellen, dass das eingenommene Geld wirklich bei den Hochschulen ankommt – und nicht beim Finanzminister landet?

Für mich ist die Geschäftsgrundlage, dass die Hochschulen profitieren. Sonst machen Gebühren keinen Sinn.

Ihr rheinland-pfälzischer Kollege Zöllner schlägt vor, ein begrenztes Konto an Freiveranstaltungen einzuführen. Wie bewerten Sie das?

Ich begrüße diesen Vorschlag. Denn dadurch wird die Hochschulbildung von traditioneller sozialdemokratischer Seite als knappes Gut definiert. Wenn ich sage, ihr habt soundso viele Freistunden auf einem Studienkonto, dann macht das ja nur Sinn, wenn nach Ablauf des Kontos eine Gebühr fällig ist – sonst gäbe es keine steuernde Wirkung. Die Kultusminister prüfen dieses Zöllner-Modell, und ich bin mir sicher: In Kürze werden wir in Deutschland Gebühren für Langzeitstudierende haben.

Wie findet Ihr Ministerpräsident das?

Sigmar Gabriel sieht wie ich die positiven Lenkungswirkungen von Gebühren. Studierende, die Gebühren zahlen, werden zu KundInnen und QualitätsprüferInnen ihrer Hochschulen. Darauf werden die Hochschulen mit Qualitätsverbesserungen in der Lehre und im Service reagieren müssen. Dennoch: Wir beide kennen und respektieren die negative Beschlusslage der SPD zu Studiengebühren.

Was macht Sie eigentlich so sicher, dass es bei den 1.000 Mark pro Semester bleiben wird?

Niemand kann irgendwelche Garantien abgeben. Ich kann nur sagen, was ich für richtig halte – und das könnten 60 Prozent der Studierenden oder ihre Eltern bezahlen.

Wer würde in Ihrem Modell zahlen, wer nicht?

Die Zahlungspflicht begänne bei einem Haushaltseinkommen von 83.000 Mark. Dann müsste eine Familie für ein Kind Gebühren bezahlen.

Vielleicht fiele Ihnen eine Einigung leichter, wenn es endlich ein bedarfsdeckendes Bafög gäbe?

Edelgard Bulmahn hat die Reform ja auf den Weg gebracht. Ich kümmere mich hier darum, wie man günstige Bildungskredite bereitstellen kann, und ich sammle auch Stipendien bei der Industrie, bei VW oder Continental. Aber die Studiengebühren werden ganz unabhängig von politischen Beschlüssen kommen, dafür wird das Internet schon sorgen.

Warum?

Topuniversitäten wie die ETH Zürich, Harvard, Cambridge oder Stanford werden bald einen Teil ihre Angebots über das Netz anbieten – gegen Geld. Die werden Veranstaltungen in einer Qualität über den Bildschirm bringen, dass eine Präsenz vor Ort nicht mehr nötig ist. Das wird den Bildungsmarkt in Schwung bringen...

... weil es selbstverständlich wird, fürs Studium zu bezahlen ...

Natürlich wird gezahlt. Leider wird das Geld ins Ausland fließen. Wir müssen aber unsere Hochschulen fit machen für den zunehmenden Wettbewerb. Wenn die Finanzstarken an privaten Elite-Universitäten studieren und der Rest an unterausgestatteten öffentlichen Hochschulen, dann ist das unsozial.

Sie haben selbst studiert: Hätten Sie Ihre Gebühren bezahlen können?

1.000 Mark hätte ich verkraften können. Ja, dafür hätte ich mich krummgelegt.

Interview: CHRISTIAN FÜLLER