Pfadfinder im Behördendschungel

Der Soziale Wohnungstausch-Ring hilft älteren, finanzschwachen oder behinderten Menschen bei der Wohnungssuche. Doch der Verein leidet selbst unter Finanznot – und manch ein Hilfsbedürftiger braucht vor allem Zuspruch
von SILVIA LANGE

Sie ist 75 Jahre, schwer behindert und braucht dringend eine neue Wohnung, weil ihr Haus saniert werden soll. Verwandte, die sich um sie kümmern könnten, hat sie nicht. Doch seit einem Monat hat sie Hilfe: Fritz Barth versucht, seiner Klientin bei der Wohnungssuche zu helfen. Kein leichter Fall, denn in die neue Wohnung müssen ein Pflegebett und ein Rollstuhl passen.

Barth arbeitet für den Sozialen Wohnungstausch-Ring e. V. Er hat für die Behinderte eine Zweiraumwohnung im Blindenheim in der Berliner Allee ausfindig gemacht. Doch damit ist es nicht getan: Jetzt muss er einen Wohnberechtigungsschein mit Dringlichkeit besorgen, die Behinderung und die Mietschuldenfreiheit seiner Klientin nachweisen und diese Unterlagen bei der neuen Hausverwaltung einreichen. „Heute kann ich endlich den Mietvertrag abholen.“

Seit Mitte Februar arbeitet der Mittfünfziger im Rahmen einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für den Sozialen Wohnungstausch-Ring Berlin/Brandenburg. Der Verein will alten, behinderten oder finanzschwachen BürgerInnen Wohnraum vermitteln, der ihren Bedürfnissen entspricht. „Wir übernehmen Behördengänge, planen den Umzug und bieten Orientierungshilfen in der neuen Wohngegend,“ sagt Lothar Riesch, der seit mehreren Jahren dabei ist. Zusammen mit sechs ABM-Kräften betreut er rund 120 Menschen aus ganz Berlin. Die Schwerpunktbezirke sind Weißensee, Friedrichshain, Prenzlauer Berg und Pankow. Im Durchschnitt kriegt jede Person drei bis vier Angebote, bis der Umzug zustande kommt. „Manche Leute sind allerdings schon seit zwei Jahren in der Kartei, weil sie unerfüllbare Wünsche haben“, erläutert Riesch. Sie wollen keine Mieterhöhung nach dem Umzug in Kauf nehmen oder partout nicht aus ihrer Straße wegziehen. „Einige benutzen das Wohnproblem auch nur als Alibi, weil sie mal jemanden zum Reden brauchen“, sagt Riesch, der sich als „halber Sozialarbeiter“ sieht. Über verschiedene Wohnungsbaugesellschaften und einige private Vermieter versucht sein Verein, günstigen Wohnraum ausfindig zu machen. Doch der ist rar: Wegen der großen Nachfrage vermittelt eine städtische Wohnungsbaugesellschaft Riesch zufolge sogar derzeit keine Wohnungen an arme Menschen. „Gerade ältere finanzschwache Menschen haben auf dem Wohnungsmarkt keine Chance“, sagt Riesch. Für sie leistet der Verein Lobbyarbeit.

Dabei steht der Ring selbst auf schwachen Füßen: 1994 wurde er vom Bezirksamt Weißensee ins Leben gerufen. Als nach drei Jahren die Finanzierung des Arbeitsamts auslief, gründeten Riesch und seine Kollegen den Verein. Zum zweiten Mal haben sie jetzt im Februar eine einjährige ABM bewilligt bekommen. Doch davor gab es ein halbes Jahr lang keine Finanzierung.

Riesch und andere arbeitslose Kollegen haben in dieser Zeit dringende Fälle ehrenamtlich bearbeitet. An seinem gestrigen Tag der offenen Tür hat der Verein versucht, neue Mitglieder zu werben oder Spender aufzutun. Riesch hofft nun auf eine Finanzspritze vom Senat oder den Bezirken: „Denn wir leisten schließlich eine aktive Hilfe da, wo der Staat nichts tut.“

Zitat:

VERMITTLER RIESCH:

„Arme haben auf dem Wohnungsmarkt keine Chance“