Filmstarts à la carte
: Chaplins Leihhaus

Die verstärkte Industrialisierung des Arbeitslebens war in den 20er und 30er Jahren im Kino ein beliebtes Thema: Für Walter Ruttmann stellten die auf und nieder sausenden Kolben der Maschinen in „Berlin - die Symphonie der Großstadt“ ein Sinnbild für Modernität, Bewegung und Tempo dar - eine Sichtweise, wie sie später in ähnlicher Weise auch in den Industriefilmen der Nazis zum Ausdruck kam. Der berühmteste Kritiker der Versklavung der Menschen durch die Maschine war zweifellos Charles Chaplin, der in „Modern Times“ seinen Tramp über der Arbeit am Fließband fast verrückt werden lässt. Einen großen Teil seiner Gags hatte Chaplin allerdings bei René Clair und dessen Satire „A nous la liberté“ (1931) „geborgt“, die von einem Gefängnisausbrecher erzählt, der zum Besitzer einer Grammophon-Fabrik avanciert, jedoch schließlich mit einem ehemaligen Knast- Kumpel lieber wieder als glücklicher Landstreicher auf Walze geht. Clair inszeniert die Szenen vom Arbeitsleben in der Fabrik in Analogie zu den Szenen vom Gefängnisalltag: Die Gefangenen/Arbeiter rücken im Marschtritt an und ab, dürfen nicht miteinander sprechen und werden von Aufpassern mit Armbinden beaufsichtigt und durchsucht. Und schon den Kinder wird in diesem lebendigen frühen Tonfilm, der mit wenigen Dialogen, aber viel geschickt eingesetztem Gesang aufwartet, eingebläut, dass Arbeit Freiheit bedeutet. Da wirkt die sonst eher heitere Operette dann wie eine düstere Prophezeiung.

Es lebe die Freiheit - A nous la liberté“ 25.3. im Filmmuseum Potsdam

Um mitten im Kalten Krieg die Geschichte einer Flucht von Ost nach West ohne Pathos und ideologisches Wortgeklingel vorzutragen, bedurfte es vermutlich eines Kosmopoliten: Regisseur Victor Vicas war russischer Jude, hatte lange Zeit in Frankreich gelebt, besaß die amerikanische Staatsbürgerschaft und drehte in den 50er Jahren eine Reihe interessanter Filme in der Bundesrepublik Deutschland. „Weg ohne Umkehr“ (1953) erzählt von einem russischen Ingenieur (Ivan Desny), der - enttäuscht vom Aufbau-Ost - mit seiner Freundin den Weg in den Westen sucht. Doch Anna (Ruth Niehaus) ist auch die Sekretärin und Geliebte eines Geheimdienstoffiziers (René Deltgen)... Trotz aller melodramatischer Spannung: So differenziert und glaubhaft wie „Weg ohne Umkehr“ hat in jenen Tagen keine andere West- Produktion den Zwiespalt der Menschen im Osten zwischen Idealismus und Enttäuschung, zwischen Loyalität und dem Wunsch nach Freiheit dargestellt.

„Weg ohne Umkehr“ 23.3., 26.3. in der Brotfabrik

Ihre große Zeit erlebten die Marx Brothers zu Beginn der 30er Jahre, als sich ihre anarchische Komik mit der unnachahmlichen Mischung aus Wortwitz, Slapstick und schieren Frechheiten noch relativ ungestört von Unterbrechungen durch Gesangseinlagen schmalziger Liebespärchen entfalten konnte. Doch es gab ein Problem: Dem weiblichen Teil des Publikums waren die Komiker einfach zu unsympathisch - die Filme floppten. Allerdings fanden die Marx Brothers nach ihrer Trennung von Paramount in MGM-Produktionsleiter Irving Thalberg einen neuen mächtigen Gönner, der die Filme seiner Schützlinge ein wenig familientauglicher gestalten ließ: Von nun an mußten die Komiker als dienstbare Geister jugendlichen Liebespaaren aus Notsituationen helfen. So auch in Charles Reisners „Die Marx Brothers im Kaufhaus“, wo ein betrügerischer Geschäftsführer dem Neffen der Besitzerin nach dem Leben trachtet. Auch wenn es die Brüder schwer haben, sich gegen Tony Martins Crooning durchzusetzen - an einigen Stellen überlebt die Komik unbeschadet. Etwa, wenn Groucho auf seine impertinente Weise mit der unvermeidlichen Margaret Dumont schäkert oder den Warenabsatz mit der Musical-Nummer äSing while you sellô anzukurbeln versucht: Die Zeile „This birdy goes with Verdi“ ist wirklich unschlagbar.

„Die Marx Brothers im Kaufhaus“ 23.-24.3., 26.3. im Filmmuseum Potsdam

Lars Penning