„Jetzt lege ich erst richtig los!“

Papst Johannes Paul II. befindet sich zur Zeit auf einer Pilgerreise im Heiligen Land. Ein Wahrheit-Exklusivinterview mit dem Stellvertreter Gottes auf Erden

taz: Heiliger Vater! Mit Ihren 79 Jahren wirken Sie unendlich schwach, krank und gebrechlich, heißt es in der Presse.

Johannes Paul II.: Mein Sohn, glaube nicht jedes Wort, das die Journalisten schreiben. Das sind alles Hypochonder.

Eure Heiligkeit, selbst die Ärzte ...

Lass Er die Ärzte sagen, was sie wollen. Das sind Simulanten.

Eure Päpstlichkeit! Seit dem Attentat des Türken Ali Agca von 1981 leiden Sie ...

Ich vergebe ihm.

... an, äh ..., Unterleibs-, öh... hm... dings. Und seit 1992 schickt Gott Ihnen immer neue Plagen und ...

Ich vergebe ihm.

Eure Katholizität! 1992 ein Darmtumor, 1993 eine ausgerenkte Schulter ...

Da hatte ich zu heftig gesegnet.

... 1994 ein Oberschenkelhalsbruch, in den letzten Jahren Schwächezustände, Zittern, Stammeln, Parkinson! Zuletzt stürzten Sie 1999 bei Ihrem Polenbesuch schwer zu Boden und trugen eine Kopfwunde davon.

Ich konnte wieder aufstehen. Der Boden nicht. Daran erkenne Er die Kraft des apostolischen Glaubens. Amen.

Herr Stellvertreter Gottes! Bedauern Sie manchmal, dass Jesus nicht wiederkehrt und Sie mit einer Wunderheilung kuriert?

Wisse Er im Vertrauen, in der letzten Zeit lese ich mehr im Buch Hiob als im Neuen Testament. Wohlan denn, bin ich auserwählt, ein zweiter Hiob zu sein, so danke ich dem Herrn für die Prüfungen, die er in seiner unerforschlichen Gnade meint, mir unbedingt schicken zu müssen. Es ist vermessen, Gott zwingen zu wollen, oder gar unsern Heiland. Lasse Er mich deshalb nun doch eine bescheidene kleine Geschichte aus dem Gustav-Evangelium zitieren, Vers 08,15: Siehe, wie Jesus kam in die Stadt Jericho, folgte ihm ein Tauber nach. Jesus aber öffnete den Mund und sprach: „Sperr die Löffel auf!“ Fröhlich rief der alsogleich Geheilte: „Hallelujah, ich kann wieder hören!“ „Ein Wunder, ein Wunder!“, scholl es ihm von den umstehenden Pharisäern entgegen. Sehen konnte er diese allerdings nicht mehr.

Herr Papst! Ihr Gedächtnis funktioniert großartig!

Mein Sohn! Selbstverständlich tut es ... tut es ... tut es ...

Eure Vatikanigkeit! Heftig wird über Ihren möglichen Nachfolger auf dem Stuhl Petri spekuliert. Die Kandidaten sind Anfang siebzig, viele sogar erst Ende sechzig. Erzbischof Saldarini ist 71, Kardinal Martini 69, Erzbischof Biffi 68, der mehr oder weniger nigerianische Kurienkardinal Arinze 63, und selbst Kardinal Ratzi-

Diese Kindergesichter! Diese Pflaumenmustöpfe! Mein Söhnchen, ich werde diesen Schnöseln zeigen, was eine im Glauben harke Starke, o Herr!, starke Harke ist.

Euer Kirchwürden! Muten Sie sich nicht zuviel zu?

Gott verlangt nie etwas von uns, das über seine Kräfte geht.

Eure Hirtenheit! Sie litten weniger an Ihren physischen Schwächen als an den ungelösten Problemen dieser Welt, sagt Ihr Zeremonienmeister Piero Marini.

Der Herr weiß, noch habe ich nicht alles getan, wozu ich bin auf Erden hienieden.

Heiliger Vati! Israel ist Ihre 91. Auslandsreise. Nicht die letzte?

Die Einheit der Christen, die weitere Evangelisierung der Welt und die Aussöhnung aller Weltreligionen im katholischen Glauben sind meine Aufgabe. Ich will Tibet besuchen, zehn, zwölf Himalayagipfel ohne Sauerstoffmaske bezwingen und eine zweite Bergpredigt halten. Ich will Polynesien missionieren und ganz allein den Pazifik durchschwimmen. Eine neue Bibel wird unter meinem Pontifikat geschrieben. Ich werde den definitiven Gottesbeweis präsentieren. Und im Jahr 3000 werde ich schließlich das Dogma von der Unsterblichkeit des Papstes verkünden.

Euer Heilkeit! Wie wahr Sie sprachen, als Sie einmal jede Verringerung Ihres Arbeitspensums ablehnten und sagten: „Ich werde noch eine Ewigkeit Zeit haben, mich auszuruhen.“

Unsinn, mein Sohn, das ist Unsinn. Jetzt lege ich erst richtig los.

Interview PETER KÖHLER