Kabinett hilft Opfern

Der neueste Gesetzentwurf für Entschädigungszahlungen an dieNS-Zwangsarbeiter ist auch der beste. Verhandlungen fortgesetzt

BERLIN taz ■ Der nach dem Prinzip von „Versuch und Irrtum“ seit Ende letzten Jahres ständig nachgebesserte Regierungsentwurf zur Bundesstiftung für die Zwangsarbeiter nimmt endlich eine akzeptable Form an. Der gestern vom Kabinett gebilligte neueste Entwurf beseitigt eine Reihe der krassesten Unzumutbarkeiten. Weggefallen ist die Anrechnung bisher empfangener Leistungen, zum Beispiel nach dem Bundesentschädigungsgesetz. Gestrichen wurde die „Schlussstrich-Klausel“, sodass der Weg frei ist für die Einrichtung eines Fonds, mit dem alle Opfer bedacht werden sollen, die zur Zeit des Kalten Krieges keine Ansprüche anmelden konnten.

Wichtig ist auch die Milderung des Kriteriums der Haft, jetzt reichen „haftähnliche Bedingungen und vergleichbar besonders schwere Lebensbedingungen“. Auch die bislang vernachlässigten, in der Landwirtschaft eingesetzten Zwangsarbeiter können jetzt im Rahmen der Länderquoten entschädigt werden, auf die sich zu Anfang des Jahres die osteuropäischen Opfervertretungen geeinigt haben. Seitens der Osteuropäer ist für diese Opfergruppe bereits eine Summe vorgesehen (zwischen 1.000 und 2.000 DM), wobei allerdings die vorgesehene Entschädigungssumme von rund 15.000 DM für die KZ-Sklavenarbeiter nicht gemindert werden darf. Der Umkreis der Antragsberechtigten wird auf diejenigen Kriegsgefangenen erweitert, die in einen „Zivilstatus“ überführt und anschließend als Zwangsarbeiter eingesetzt wurden. Wer in ein Arbeitserziehungslager eingewiesen wurde, hat jetzt Anspruch auf Gleichstellung mit den KZ-Sklaven beziehungsweise den Zwangsarbeitern.

Für die schnelle Bearbeitung der Anträge ist die neu aufgenommene Bestimmung wesentlich, dass das Personal des Suchdienstes in Bad Arolsen aufgestockt werden soll. Was den Nachweis der Zwangsarbeit angeht, wird ein Eintrag in Bad Arolsen als hinreichend angesehen. Die Auszahlung wird in zwei Raten erfolgen, sodass die ersten Gelder noch in der zweiten Hälfte des Jahres 2000 fließen könnten. Volker Beck von den Bündnisgrünen, seit vielen Jahren engagiert für die Entschädigung der Opfer, konnte gestern eine im Ganzen positive Bilanz dieses gesetzlichen „work in progress“ ziehen. Seiner Initiative sind viele der Verbesserungen zu danken.

Auf die Teilnehmer der gestern und heute laufenden neuesten internationalen Endlos-Verhandlungsrunde in Berlin wartet jetzt noch die Lösung zweier heftig umstrittener Punkte. Einmal die Höhe des „Zukunftsfonds“ und zum Zweiten präzise Festlegungen für die Entschädigung der Vermögensschäden, die innerhalb der Stiftung geregelt werden. Hierzu gehört die „Rechtssicherheit“ für Banken und Versicherungen gegenüber künftigen Klagen in den USA und anderswo. CHRISTIAN SEMLER