Das Ventil nicht zudrehen

Das Abgeordnetenhaus debattierte gestern über die Bildungspolitik. Nach Ansicht der Opposition ist die große Koalition damit bereits jetzt gescheitert. Grüne: „Der Kessel steht unter Druck“

von JULIA NAUMANN

Eigentlich waren sich bei der gestrigen Abgeordnetenhaussitzung alle Parteien einig: Die Schule steckt in einer Krise, das Schulsystem muss modernisiert, der Unterrichtsausfall dringend behoben werden. Doch über die nötigen Mittel und Anstrengungen, die dafür aufgebracht werden müssen, waren sich die Parteien gar nicht einig.

Der bildungspolitische Sprecher der Grünen, Özcan Mutlu, dessen Partei eine Aktuelle Stunde beantragt und eine große Anfrage zur Schulpolitik eingebracht hat, ließ kein gutes Haar an Klaus Böger (SPD): Die große Koalition, die in ihrer Koalitionsvereinbarung für den Bildungsbereich „sehr blumige Worte“ gefunden habe, sei bereits in den ersten 100 Tagen gescheitert. „Der Kessel“, rief Mutlu, „steht bereits unter Druck!“ Der Schulsenator solle endlich aufhören, das Ventil zuzudrehen. Mutlu spielte damit auf die Erhöhung der Pflichtstunden der LehrerInnen um eine Stunde an.

Auch die PDS war nicht zimperlich: Böger habe bisher „keine Fettnäpfe ausgelassen, die er vorher aufgestellt hat“, sagte die bildungspolitische Sprecherin Siglinde Schaub. Wenn die Schulverwaltung ihre Leitideen von Qualität und Chancengleichheit verwirklichen wolle, müssten mehr junge LehrerInnen eingestellt und kleinere Klassen eingerichtet werden.

Der Schulsenator nahm die Rügen gelassen und spielte den Oberlehrer am Rednerpult – es fehlte nur der Zeigestock. Ja, natürlich gebe es Probleme, gab er zu, aber diese seien alle zu bewältigen. Zum Beispiel dadurch, dass in den nächsten fünf Jahren jährlich 100 Millionen Mark für die Sanierung und Instandsetzung von Schulen bereitgestellt werden. Böger versprach, dass alle Schulen noch in diesem Jahr einen Internet-Zugang haben werden. Wichtig sei, dass es in der Benutzung der neuen Medien eine Gleichbehandlung aller SchülerInnen gebe: „Daran darf sich keine neue soziale Frage entwickeln.“

Zur Lehrerarbeitszeiterhöhung sagte Böger, dass diese „unvermeidbar und maßvoll“ sei, um die pädagogischen Standards der Schule zu erhalten. Eine weitere Mehrbelastung werde es nicht geben. Statistisch gesehen sei der Ausfall von 3,4 Prozent aller Stunden nicht dramatisch, sagte Böger. Er werde alles dafür tun, dass dieser weitestgehend reduziert werde. Dazu bedürfe es auch einer „filigranen Arbeit des Landeschulamtes“.

Der schulpolitische Sprecher der CDU, Stefan Schlede, pflichtete Böger bei. Eine weitere Erhöhung der Stundenzahl in dieser Legislaturperiode schloss er aus. „Wir dürfen nicht an den Symptomen herumdoktorn, sondern Strukturfragen klären.“ So müsse es mehr Arbeitszeitgerechtigkeit unter den LehrerInnen geben. Schlede ist außerdem für eine Präsenzzeit der Lehrkräfte an den Schulen.