Die Himmlische

Und plötzlich rollte dem jungen Paar ein roter Teppich entgegen: Der Dokumentarfilm „Die letzte Mahadevi“ erzählt, wie aus der österreichischen Studentin Inge Eberhard eine birmesische Prinzessin wurde

Nein, spektakulär ist das nicht – zunächst jedenfalls: Eine Frau fährt mit einem Kleinwagen auf einer kurvigen Landstaße. Und weil die Fahrbahnmarkierungen gelb auf den Asphalt gemalt sind wie etwa in den letzten Filmen von David Lynch, fährt sie wohl durch Amerika.

Allerdings muss schon an dieser Stelle dazugesagt werden, dass die Anspielung zum Mittelstandshorrorfilmer Lynch auf eine ebenso falsche Fährte führt wie jene Autofahrt durch Nord-Colorado, mit der die Filmbiografie „Die letzte Mahadevi“ beginnt. Denn der Lebensweg der 68-jährigen Inge Eberhard, dem sich der Dokumentarfilm widmet, ist nicht wirklich ein Lost Highway. Und selbst wenn die Dokumentaristen Dirk Szuszies und Karin Kaper die Biografie der letzten Mahadevi letztlich so erzählen, als wäre es eine Straight Story, ist sie in Wirklichkeit ihrem Wesen nach so ziemlich genau das Gegenteil.

Man muss das kurz erzählen, sonst glaubt’s einem keiner: Inge Eberhard stammt aus Kärnten (Österreich) und geht Anfang der 50er-Jahre zum Studieren nach Colorado (USA). An der Uni in Denver lernt sie den Birmesen Sao Kya Seng kennen. Was Inge nicht weiß, bis sie nach ihrer baldigen Heirat mit Sao schließlich auf dem Seeweg in Rangun einläuft und dem jungen Paar dort der rote Teppich entgegengerollt wird: Sao war nicht nur ein kleiner, liebenswerter Kommilitone, sondern „Saophalong“ – also (für alle, die in Birmakunde in der Schule nicht aufgepasst haben) Herrscher über eine seinerzeit noch autonome Minderheit im hinterindischen Vielvölkerstaat und Inge plötzlich First Lady: „Mahadevi“ eben mit 40 Bediensteten und allem Drum und Dran ...

Es folgen Emanzipation, Widerstände, Reformversuche und dann, 1962, ein Militärputsch, seit dem Sao verschollen und Inge mit ihren beiden Kindern zunächst nach Wien und 1966 schließlich ins coloradische Dauerexil geflüchtet ist.

Das ist satte 34 Jahre her. Was bisher und seitdem geschah, schrieb sie 1994 nieder und tingelt, so zeigt’s der Film, noch heute wie eine Tupperpartyfee durch die US-Hausfrauenszene und bietet für den guten Zweck (seit Jahren engagiert sie sich gemeinsam mit ihrem zweiten Mann für birmesische Flüchtlinge) T-Shirts mit birmesischen Befreiungssprüchen feil. Wobei sie mit ihrer noch immer mahadevisch gezwirbelten Frisur nicht einmal peinlich, sondern aufrecht wirkt wie der ganze Film, den sie allein kommentiert, während das Filmemacherduo Dirk Szuszies und Karin Kaper Inges Erzählungen in US-österreichischem Akzent, manchmal etwas eins-zu-eins, mit viel Gespür und Profession mittels Familienfilmenschnipseln, historischem Archivmaterial und birmesischen Vor-Ort-Sequenzen koloriert und illustriert.

Wer den Gang ins langatmige Doku-Kino scheut, kann der letzten Mahadevi ja am kommenden Dienstag in der Fernsehfassung bei Erzählen zuschauen. Auf Arte heißt der Film dann „Die himmlische Prinzessin“. Und ist nur halb so lang. Andererseits aber kann 85-Minuten-im-Eiszeitkino-Sitzen-und-Zuschauen-was-ein-Leben-ist so verkehrt nicht sein. Jedenfalls nicht verkehrter als so ein Leben selbst.

In der Langversion übrigens bleibt am Schluss nach dem Absingen einer birmesischen Exil-Version von „Dust in the Wind“ die Kamera angeschaltet. Das ist rührend – und gut so.

CHRISTOPH SCHULTHEIS

„Die letzte Mahadevi“ läuft noch bis zum 29. März um 18.30 Uhr im Eiszeit-Kino, Zeughofstraße 20