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: Geschichten aus dem Land der Stars, Strips und Nichtraucher

LEBEN UND STERBEN IN L.A.

Wenn Angst vorm Fliegen nicht immer so an die furchtbare Erica Jong erinnern würde! Ich schäme mich wirklich dafür, aber so ist es nun mal. Werfen Sie mich in eine Giftschlangengrube, und ich zerquetsche die Dinger kaltlächelnd mit der linken Hand. Sperren Sie mich in einen Löwenkäfig, und ich habe die Raubkätzchen gezähmt, bevor sie auch nur ganz leise knurren können. Aber Fliegen? Schon Tage vorher zittere ich wie Harald Juhnke morgens. Glücklicherweise sitzt der beste Freund im Flugzeug neben mir und tut zuversichtlich. Aber was weiß der schon?! „If you fly, you die“ sagt der Amerikaner. Genau da fliegen wir übrigens auch hin.

Das heißt, wenn der Kapitän, der sich mit ersterbender Stimme, wie ich fand, als „Mein Name ist Kapitän Methusalem, und dies ist mein letzter Flug“ vorstellte, nicht wirklich all die Champagnerflaschen leert, die von (nervösen?) Stewardessen in Richtung Cockpit geschaukelt werden. Als endlich der Sinkflug über Los Angeles eingeleitet wird (jeder Meter tiefer tut weniger weh beim Fallen!), sagt der beste Freund auf dem Fensterplatz „Ich seh’ schon ein Drive-By-Shooting, und ich kann auch schon einen Mann illegale Drogen verkaufen sehen“.

Peter Fonda holt uns vom Flughafen ab. Hatte ich gehofft. Stattdessen holt uns der ortsansässige Lieblingsherumführer ab und erzählt, dass Jodie Foster im „Drug Market“ an der Kasse vor ihm gestanden habe, und was hat sie gekauft? Windeln natürlich! „Her hair was a mess“, fügt er noch hinzu. Der ortsansässige Lieblingsherumführer ist eine freundliche, 43-jährige Tunte mit ungewöhnlichem bis belustigendem Äußerem: Er hat einen irischen Vater und eine indianische Mutter, sieht also aus wie eine Mischung aus Johnny Rotten und Sitting Bull.

Er fährt uns gleich in eine Bar, wo wir amerikanisches Bier trinken und nicht rauchen. Mir ist das ja egal, der Alkohol ist mir bekanntlich Krücke genug, und außerdem rauche ich am liebsten mein Allergospasmin-Dosier-Aerosol. Dann müssen sie wieder hereinkommen, denn Trinken darf man wiederum nur drinnen.

Der beste Freund entpuppt sich als Fass ohne Boden: Alle zweieinhalb Stunden besteht er auf einen Imbiss, weil ihm sonst schwarz vor Augen würde. Während er sich durchs Essen kämpft, das in seinem gertenschlanken Körper zu verdunsten scheint wie Nagellackentferner, erzählt unser Herumführer von seiner Mitbewohnerin, die eine Dokumentation über Yma Sumac macht und aus diesem Grund ständig Besuch von der Sängerin hat. Sie muss weit über 70 sein, sitzt vorzugsweise bei ihm in der Küche und singt den Kanarienvögeln etwas vor!

Davon sei er mal geweckt worden: von dieser unglaublichen Stimme, gemischt mit dem Getschilpe der Vögelchen. Er sei aufgestanden, um zu gucken, wer da so tiriliert, und habe die Dame im ersten Augenblick für die Mutter seiner Mitbewohnerin gehalten. Nach dieser kleinen Geschichte wechseln wir die Lokalität und gehen in die Formosa Bar, wo angeblich immer „all the guys from Star Trek“ herumlungern. Als wir ankommen, verschwinden meine Begleiter wieder zum Rauchen, und ich bleibe allein zurück, drehe professionell meine Bierflaschen auf und versuche, möglichst nicht deutsch zu gucken, indem ich einfach nicht an meine Achselhöhlen denke. Aber Star-Trek-mäßig lässt sich niemand blicken, nicht mal ein Kleinstdarsteller, und auch Peter Fonda scheint mich vergessen zu haben. Am nächsten, sonnigen Tag finden wir an der Melrose Avenue endlich meine weißen These-boots-are-made-for-walking-Stiefel, und dann kann endlich auch ich meine Begleiter nerven, indem ich jedesmal, wenn wir irgendwo anhalten, zuerst „Are you ready, boots?“ zu meinen Füßen sage, bevor ich weitergehe. JENNI ZYLKA