Gut für das Kapital, schlecht für die Opfer

Entschädigung für enteignetes Vermögen zu bekommen ist schwer. Vorgesehenes Geld wird deshalb für humanitäre Hilfen verwandt

BERLIN taz ■ Schon der erste Entwurf der Stiftungsinitiative, den 16 deutsche Unternehmen unter Führung der Deutschen Bank im Frühjahr letzten Jahres zur Entschädigung ihrer ehemaligen Zwangsarbeiter vorlegten, sah einen Passus vor, der gut fürs Kapital, aber schlecht für die überlebenden Opfer war: die Regelung von Vermögensschäden. Auch auf den zweiten Blick vermochten Politiker wie der ehemalige SPD-Vorsitzende Hans-Jochen Vogel nicht zu erkennen, was das eine mit dem anderen zu tun haben könnte.

Aber es stellte sich bald heraus, dass diese Verknüpfung Bedingung für das Engagement der an der Initiative beteiligten Banken sowie der Allianz-Versicherung als Mitgründer war. Die Banker und Versicherer wollten in den Genuss der „Rechtssicherheit“ kommen, die sie als Voraussetzung für den Bau der Stiftung ansahen. „Rechtssicherheit“ bedeutet praktisch auch die Abweisung zweier „class-actions“ sowie einer zivilen Einzelklage, die in den USA gegen Versicherer, unter ihnen die Allianz, liefen beziehungsweise laufen.

Für die Befriedigung aus Ansprüchen wegen Vermögensschäden wurde schließlich eine Milliarde Mark eingesetzt. Wie zu befürchten, verzögerte der Streit um diesen Vorschlag den Abschluss der Verhandlungen um mehrere Monate.

Erschwerend wirkte sich aus, dass Ansprüche, die aus Versicherungspolicen, vereinnahmten Bankkonten, Wertpapieren oder Wertgegenständen resultieren, sich von den Überlebenden oder deren Erben schwer nachweisen lassen. Bei Versicherungen wie der „Victoria“, die, anders als die Allianz, in Ost- und Südosteuropa vor dem Zweiten Weltkrieg einen bedeutenden Marktanteil hatte, fällt die Recherche in einem hauseigenen Archiv flach. Es wurde gegen Ende des Zweiten Weltkriegs zerbombt.

Die Akten der osteuropäischen Filialen sind zum Teil nicht zugänglich. Aber auch aus den einsehbaren Dokumenten, wie zum Beispiel einem Bericht der Prager Gestapo-Leitstelle aus dem Jahr 1942, gehen nur summarische Aufstellungen hervor.

Versicherungen, die wie die „Victoria“ kein nennenswertes USA-Geschäft unterhalten, machen darüber hinaus geltend, dass die deutschen Versicherungen auf Grund der Nazi-Gesetze und Verordnungen zur Auflösung der Policen und der Übergabe der Prämien an „das Reich“ verpflichtet gewesen seien. Sie fühlen sich durch die Kontrolle seitens der damaligen Reichsaufsicht salviert. Nolens volens hat die Allianz allerdings eine zwar nicht rechtliche, aber moralische Mitverantwortung an der nazistischen Bereicherungsmaschine eingeräumt.

Allen Beteiligten ist klar, dass der Anteil individueller Ansprüche an der einen Milliarde gering sein wird. Weshalb auch von osteuropäischer Seite Schäden, die nicht aus rassischer Verfolgung herrühren, in Anschlag gebracht wurden.

Wie aber lassen sich solche Vermögensschäden von Reparationen abgrenzen, die nicht Gegenstand der Stiftungs-Verhandlungen waren? 50 Millionen Mark für nicht-rassische Verfolgung sollen jetzt die Obergrenze bilden. Ferner stellt sich die Frage: Sollen die Osteuropäer auch an den neun Zehnteln der Milliarde beteiligt werden, die für humanitäre Hilfe verwandt werden sollen? Nach der jetzigen Einigung sieht es nicht so aus.