Messehit: ProFisch 2000

■ Mein lieber Scholli – Bremer Messe macht in Fisch und in Jesus / Wer hat das bessere Sanierungskonzept für Bremen: der Heiland oder der Heilbutt?

„Fish international 2000“ in den Messehallen oder „ProChrist 2000“ in der Stadthalle – die Unterschiede sind minimal. Die einen fischen Menschen, wie an einem „ProChrist“-Stand zu lesen ist: „Jesus war ein Menschenfischer!“. Die anderen fischen Knurrhähne und Erdbeer Grouper – ein entzückendes rotes Fischlein mit blauen Tupfen, das weniger an eine Erdbeere als an einen Grouper erinnert. Weitere Gemeinsamkeiten: Auf beiden Messen laufen Leute rum, denen man sonst nie begegnen würde. Dänische Heringsexporteure zum Beispiel oder männerbewegte Christen, die sich „Promise Keeper“ nennen, weil sie Gott versprochen haben, ihre Frauen nur nach biblischen Leitsätzen zu züchtigen.

Ansonsten ist alles weder Fisch noch Fleisch. In der einen Halle wird christliche Rockmusik und Jesus im Internet angeboten. In der anderen präsentiert die Fischbranche Garnelenbehälter und Brotaufstriche aus Hering. Und natürlich tote Fische – in allen Farben, Größen und Glitschigkeiten. Sie verfolgen die BesucherInnen mit ihren triefend-traurigen Glubschaugen. Ein besonders niedliches Exemplar erinnert mit seinem Unterbiss an einen haarlosen Mops und ein anderes an Marcel Reich-Ranicki.

Weil die Fische angefasst werden dürfen, müssen sie hinterher weggeschmissen werden. Ob sich jemand traut, die Tintenfische zu streicheln, die in obszöner Weise ihre Unterseite darbieten, alle Arme von sich gestreckt? Das fischt mich nicht an! scheinen die Ex- und Importeure, die Groß- und EinzelhändlerInnen zu denken. Für sie zählt nicht der einzelne Fisch in all seiner gekühlten Schönheit, sondern nur der Zentner, der den überfischten Meeren abgetrotzt werden kann.

An die Gefahren durch Überfischung gemahnt der WWF-Stand. Naturland – Verband für naturgemäßen Landbau – bietet Fischiges aus anerkannt ökologischer Aquakultur feil. Auch die norwegischen Fjordschweine gibt es jetzt in einer Ökovariante. Diese Lachse haben größere Flossenfreiheit in ihren Schwimmkäfigen und kriegen Fischmehl aus richtigen Fisch-Resten, wo also keine nur für diesen Zweck gemästeten Fische ins See-Gras beissen müssen.

In der „Fit for fun“–Schauküche werden Fischreste zu kleinen Schweinereien verbraten – zum Leidwesen des Messepersonals. „Abends erst mal lange duschen“, stöhnt der junge Mann am Eingang, „Ich bin froh, dass ich nicht in Halle 6 arbeiten muss“. Dort ist der Teufel los. Schon von weitem ist der Moderator zu hören, der zusammen mit dem Kamerateam und ein paar Fotografen in der offenen Küche dem Koch im Weg steht. Der ist trotz allem gut gelaunt und flirtet in bester „Uncle Ben–s Reis aus den USA“-Manier mit dem Publikum. „Hat es euch geschmackt? Wo ist die Applaus?“ Dann brüllt wieder der Moderator dazwischen: „Das sind Fischliebhaber, das hör ich doch raus! Guck mal diese Scholle an! Mein lieber Mann! Sind das Schollen? Und die Krabben! Krabbe wiederentdeckt! Lust auf Krabbe! Lust auf Scholle!“, spricht–s und wirft dem sich um den Tresen drängenden Messevolk „Krabben-Wraps“ und Schollenfilets in den Rachen. Butter bei die Fische.

Unter dem Strich betrachtet ist die Fischmesse von größerem Interesse; Bremerhaven will, hat der Bürgerschaftsabgeordnete Karl Uwe Oppermann (CDU) verkündet, die größte Fischküche Europas werden. Gott allein wird Bremen nicht sanieren. Eiken Bruhn