Gemeinsam bauen, wohnen und klönen „Im Ökodorf 6“

■ In Lilienthal leben heute schon 70 Menschen in einer ökologischen Siedlung in Holz-, Lehm- oder Steinhäusern mit neuem Nachbarschaftsgefühl / Noch mal so viel sollen einziehen mit Lust auf Baubiologie

Am Abend geht's ins Theater ins Lilienthaler Bürgerhaus – mit organisierter Fahrgemeinschaft. Lebensmittel gibt's im Bauernladen „Regenbogen“ nebenan. Und das eigene Auto kann man hier nach Lust und Laune verleihen – an die lieben Nachbarn: So ähnlich läuft er ab, der Alltag im „Ökodorf“ in Lilienthal. Fast 70 Menschen leben hier schon – in einer bunten Siedlergemeinschaft mit neuem Verständnis von Nachbarschaft und ökologischem Bauen. Jeder hilft jedem – wenn er will, und hat ein eigenes „baubiologisches“ Haus – aus Holz, Lehm oder Stein mit bunten Fenstern und niedrigem Energieverbrauch.

Die perfekte „Alternative zum Viertel“ also, wirbt jedenfalls der Siedlerverein „Lebensraum Lilienthal“ für sein Projekt – aufgebaut Anfang der 90er von Menschen, die von einer ökologischen Siedlung träumten. Nach sechs Jahren Planungszeit und Grundstücks-Verhandlungen mit der Gemeinde wurde der Traum Wirklichkeit: Im Dezember 1997 wurden die ersten Niedrigenergiehäuser bezogen, mittlerweile stehen knapp 30 und noch mal so viele sollen folgen.

Doch die Suche nach Interessenten ist nicht so leicht wie gedacht, gesteht Vereinsvorstand Rohde: Immerhin brauche man für ökologisches Bauen eine „gewisse Bereitschaft zur Auseinandersetzung.“ Und das wollten viele dann „wohl doch nicht“. Außerdem muss man satte Grundstückspreise und für ein Niedrigenergiehaus zwischen 350.000 und 500.000 Mark berappen. Es wird von Holzständern getragen, ist mit Flachs gedämmt und so erst extrem luftdicht und Heizenergie sparend. „Die Szene im Viertel kennt uns zwar, denkt sich aber wohl: Besser als im Viertel geht's doch eigentlich nicht.“ Denn zentral wohnt Frau, Mann, Kind in Lilienthal beileibe nicht, auch wenn Vereinsvorstand Herbert Rohde die „gute ÖPNV-Anbindung“ erwähnt. Dafür aber gibt's für Kinder alles in der Nähe: Schulen, Kindergärten – und Platz zum Toben auf dem vereinseigenen Spielplatz.

Schließlich steht der Gemeinschaftsgedanke ganz oben an: Vereinsmitglieder und Häuslebauer zahlen deshalb nicht nur ihren Vereinsjahresbeitrag, sondern auch ein Darlehen in Höhe von 4.500 Mark – für's weitere Interessenten-Werben, für neue Baupläne und auch für den eventuellen Bau eines Gemeinschaftshauses – gedacht für die gemeinsamen Klönabende oder Sing-Treffs, die ohnehin schon jetzt stattfinden.

„Gemeinschaft“ sei ein zentrales Themen der „Agenda 21“, erklärt Hausbauer Rohde: „Verdichtetes Bauen ist ein Ziel, neben dem Fördern neuer sozialer Strukturen, die in der heutigen Gesellschaft immer mehr zerstört werden.“ Und genau mit diesen Pluspunkten will man für das Lilienthaler Ökodorf jetzt auch verstärkt „überregional werben“ – neben der Baubiologie: Zehn weitere neue Häuser sind geplant – „Häuser der Zukunft“, sagt Herbert Rohde, weil sie in Passiv-Bauweise entstehen: Davon gibt es bundesweit noch nicht viele, „aber in etwa zehn Jahren werden sie zum Standard gehören.“

Sie sind noch weitaus aufwendiger im Bau als das Niedrigenergiehaus, kommen dafür aber mit noch weniger Heizenergie aus: Die Wände sind doppelt so dick gedämmt. Dafür braucht esumso stärkere Holzträger – und eine komplizierte Lüftungstechnik, weil das Haus extrem luftdicht ist. Ganz kontrolliert wird es deshalb be- und entlüftet – und so immer wieder neue Frischluft zugeführt. „Wer auf den freien Bauplätzen aber nur ein Niedrigenergiehaus bauen will, kann das auch tun“, erklärt der Vereinsvorsitzende. „Da sind wir flexibel“.

Das zeigt in der Tat die Buntheit der Siedlung – immerhin gibt es neun unterschiedliche Bauweisen, vom verstärkten Lehmbau bis zum soliden Steinhaus, „in dem man auch nach 24 Uhr noch Klavier spielen kann.“ Andere wiederum wählen ein Haus aus Recycling-Materialien – mit Dachziegeln vom Recyclinghof. Oder mit Wintergarten, der aus dem Glas alter Gewächshäuser aus dem Rhododendronpark aufgebaut werden soll.

Kurzum, die neuen Öko-SiedlerInnen haben die Qual der Wahl – Sonnenkollektoren zum Beispiel gibt's auch zur Warmwasserbereitung. Aber leider keine gemeinsame Pflanzenkläranlage (sie reinigt mit Schilfrohr die Abwässer auf Trinkqualität) oder Kompostiertoiletten (sie kompostieren Fäkalien zu Gartenerde), wie es sich für ein richtiges Ökodorf gehört. „Diese Infrastruktur wollte sich die Gemeinde nicht aus der Hand nehmen lassen.“ Aber dafür hält sie weiter die Grundstücke frei – für das Ökodorf, das einmal rund 140 ÖkodörflerInnen besiedeln sollen. kat

Tag der offenen Tür ist am heutigen Sonntag von 11-16 Uhr und am 30. April. Weitere Infos unter der Nummer 04298/46 75 65.