Telefonbücher gehen ins Internet

250 Adressbuchverleger trafen sich im Herzen der neuen Mitte zu ihrem Branchentreffen

Früher trafen sich Wirtschaftsvertreter in München oder Düsseldorf. Seit Berlin gerne in die Schublade „Medienhauptstadt“ rutscht, kommt auch der Verband der Deutschen Adressbuchverleger (VDAV) zur Branchenversammlung im „Herzen der neuen Mitte“ zusammen. Das von der Presse-Info bezeichnete Herz der neuen Mitte ist ein moderner Sitzungssaal im Maritim pro Arte Hotel in der Friedrichstraße. Auf den karierten Teppichboden darf man nicht zu lange gucken, sonst wird einem schwindelig. Auf Tischen stapeln sich das „Adreßbuch Deggendorf – Plattling“, „Das Örtliche Hameln“ und die „Gelben Seiten Lüneburg“. Darum geht es den 250 Teilnehmern hier.

Die Unternehmer des VDAV geben als mittelständische und kleine Verlage Adress- und Telefonbücher sowie Wirtschaftsnachschlagewerke heraus. Weil derlei Informationen heutzutage zunehmend über das Internet nachgefragt werden, verabschieden sich viele der anwesenden Verlage vom Buchdruck. Sie setzen jetzt auf Kommunikation durchTelefonleitungen. Das hat viel mit Netzanbietern und der Telekom zu tun. Darum hält als Gastredner Klaus-Dieter Scheurle, der Präsident der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post, heute einen langen Vortrag. Er sagt, dass „ im Beschäftigungsbereich Speck abgeschabt werden muss. Das heißt natürlich Personalabbau.“ Über 10.000 Arbeitsplätze seien bei der Telekom gestrichen worden. Ein alter Hotelangestellter, der in der Ecke die Mikrofonlautstärke kontrollieren muss, sieht auch schon ziemlich dereguliert aus. Nach einer Stunde ist Scheurle fertig. Er möchte gerne die Telefonnummern in Europa harmonisieren. Die Auskunft hätte dann in jedem Land diesselbe Nummer. Ein Herr stellt eine Frage, in der viele Abkürzungen und das Wort „Rufnummergasse“ vorkommen.

Der Blick aus den Panoramafenstern geht auf eine dreckige Stadtbrache. Holzstümpfe und Sandhügel türmen sich vor dem Bahnhof Friedrichstraße. Im Herbst hält der VDAV seine Mitgliederversammlung in Hannover ab. Die VDVA-Pressesprecherin erzählt später, dass der Verband sich in einer Umstrukturierungsphase befindet. Man wolle einflussreicher werden und neue Mitglieder wie etwa den Internet-Dienstleister Yahoo aufnehmen. So könne der VDAV zu einer allgemeinen und politisch starken Medienlobby werden. Darüber werde aber im Einzelnen erst in einem halben Jahr abgestimmt.

Abends gehen die Teilnehmer zu einer Comedy-Night.

KIRSTEN KÜPPERS