buchtipp
: Fotografin, Muse Zeitzeugin

Mit ihren Fotos brachte es Ré Soupault in den 90er-Jahren zu spätem Ruhm. Die Bildbände „Ein Frau allein gehört allen“ über Prostituierte im verbotenen Viertel in Tunis sowie die Bände „Tunesien 1936 –1940“ und „Paris 1934 – 38“ sind im Wunderhorn Verlag Heidelberg erschienen. Dort erschien auch ihre Biografie „Du lebst wie im Hotel – die Welt der Ré Soupault“.

Die Autorin Ursula März skizziert das Leben der Erna Niemeyer alias Ré Soupault, geboren in Ostpommern 1901. Ihr Studium am Bauhaus in Weimar, die dortigen Auseinandersetzungen mit den zeitgenössischen Strömungen und ihre Rolle an der Seite berühmter Männer. Ré Soupault ist lebenslang die Frau, die ihre Fähigkeiten, ihr Wissen den Männern ihrer Wahl bereitstellt. Ihre eigene Karriere läuft quasi nebenher.

1225 geht Erna Niemeyer nach Berlin. Mitarbeit an Viking Eggelings Experimentalfilm „Diagonale Symphonie“. Sie knüpft Kontakte zur filmischen Avantgarde. Über ihren Ehemann, den Dada-Künstler und Filmemacher Hans Richter, gelangt sie in die Berliner und Pariser Boheme und arbeitet als Modekorrespondentin. In Paris gründet sie das Modeatelier „Ré Sport“, wo die praktisch-schlichte Eleganz des Bauhauses durchschlägt. Ihr Geschmack, ihr Sinn für Stil sind zeitlebens Markenzeichen der Ré Soupault: „Sie besaß das Geschick, einfachen Gegenständen Ausstrahlung zu verleihen und ohne großen Aufwand mondän gekleidet zu wirken“, schreibt ihre Biografin Ursula März.

Nach ihrer Scheidung von Hans Richter heiratet sie Philippe Soupault. Ihr endgültiger Lebenspartner mit Krisenzeiten. Philippe Soupault ist nach seinem „Ausschluss“ aus der surrealistischen Bewegung als Journalist tätig. Er geht nach Tunis mit dem Auftrag, dort einen neuen, antifaschistischen Radiosender aufzubauen, der dem italienischen Sender „Radio Bari“, einem Propagandawerkzeug Mussolinis, Konkurrenz machen soll. Ré Soupault begleitet ihn und fotografiert auf ihren Reisen in Tunesien. Als deutsche Truppen 1942 nach Tunis vorrücken, verlassen Ré und Philippe Soupault überstürzt Tunis. Alles was sie besaßen, einschließlich der Holzkiste mit den Fotografien und Negativen Ré Soupaults, bleiben in Tunis zurück. Die Tunesien-Bilder, die Ré Soupaults spätere Karriere als Fotografin begründen, werden erst viel später in den Souks von Tunis wiedergefunden. Die Flucht über Algerien und Marokko nach Amerika hat Ré Soupault die Lust am Reisen genommen. Trotzdem reist sie mit ihrem Mann weiter, in Südamerika und den Staaten.

Der Aufenthalt in Amerika wird für sie zur Lebenskrise. Sie trennt sich von Philippe und versucht sich in New York als Journalistin. 1948 übersiedelt sie in die Schweiz und arbeitet als Übersetzerin.

Das Leben der Ré Soupault, die 1996 starb, ist nicht nur eine spannende Zeitgeschichte im Zentrum der künstlerischen Avantgarde, sondern auch das Porträt einer ungewöhnlichen Frau in ihrer Zeit. Einer selbstbewussten Frau, die trotzdem immer im Windschatten ihrer Männer segelt. EDITH KRESTA

Ursula März: „Du lebst wie im Hotel – die Welt der Ré Soupault“, Wunderhorn, 1999, 144 Seiten, 70 Abb., 38 Mark