44 schwierige Steuer-Milliarden

Unternehmenssteuerreform im Bundestag: Die Opposition hat Schwierigkeiten mit ihrem Profil – selbst die deutschen Wirtschaftsverbände sind für den Regierungsentwurf. Die SPD will Steuervorteile für Reiche und Konzerne durchsetzen

von BEATE WILLMS

Die Opposition hat es in der Steuerdebatte diese Woche im Bundestag doppelt schwer: schwer, Bündnispartner gegen die Reformpläne der Bundesregierung zu finden. Und schwer, ihre Kritik überhaupt in der Öffentlichkeit zu vermitteln und somit in dieser politisch wichtigen Frage Profil zu entwickeln. Die Wirtschaftsverbände haben sich entschieden, die Reform, die den Unternehmen netto rund 8,3 Milliarden Mark an Steuern erspart, prinzipiell zu unterstützen, mit den Gewerkschaften haben Union und FDP noch nie auf gutem Fuß gestanden.

Und welche Normalbürgerin kann sich schon an der Frage empören, ob der Progressionsvorbehalt steht oder fällt? Oder ob das Vollanrechnungsverfahren durch das Halbeinkünfteverfahren abgelöst wird? Denn diese geplanten Änderungen werden zwar die künftige Steuerschuld von Aktionären entscheidend verändern – wer ein Jahreseinkommen ab 200.000 Mark hat, zahlt künftig weniger. Geringer Verdienende werden dafür stärker als bisher belangt. Für eine medienwirksame Debatte taugen Steuerfachworte jedoch ebenso wenig wie das umstrittene Optionsmodell für den Mittelstand.

Dabei hätte es wenigstens einen echten Aufreger geben können, für den die Öffentlichkeit in den vergangenen Wochen sensibler geworden sein dürfte: die geplante Steuerfreiheit für Beteiligungsverkäufe, die bei ihrer Bekanntgabe im vergangenen Dezember ein Börsenfeuerwerk ausgelöst hatte. Warum Kapitalgesellschaften nicht einen Pfennig Steuern bezahlen sollen, wenn sie ihre Anteile an anderen AGs oder GmbHs mit riesigen Gewinnen losschlagen, sollte nicht nur Inhaber von Personengesellschaften interessieren, die für die gleiche Maßnahme mit dem vollen Steuersatz belangt werden. Die angekündigte Fusion von Deutscher und Dresdner Bank beruht schon auf genau diesem Versprechen.

Die bei der Bundestagsanhörung diese Woche geladenen Steuerexperten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Gewerkschaften waren sich denn auch zumindest in einem einig: Die Ungleichbehandlung geht nicht an. Während jedoch die Vertreter der Wirtschaftsverbände forderten, dass Selbstständige und Personenunternehmen ebenfalls die Möglichkeit haben müssten, Beteiligungen steuerfrei zu verkaufen, warnte Hans-Georg Wehner, Steuerexperte des Deutschen Gewerkschaftsbundes, vor dem „überflüssigen Steuergeschenk“ an die Konzerne.

Rudolf Hickel, Professor für Finanzwissenschaft an der Universität Bremen, erklärte auch das ordnungspolitische Argument Eichels, die Steuerfreistellung werde die starren Kapitalverflechtungen in Deutschlandauflösen, für falsch. „Sicherlich beschleunigt sie den Verkauf von Kapitalbeteiligungen“, sagte er. „Aber nur, damit die Konzerne wieder neue kaufen können.“ Lediglich das Muster der Verflechtungen ändere sich.

Obwohl auch innerhalb der SPD-Fraktion eine 20-Prozent-Regelung als anzustrebendes Ergebnis gehandelt wird, zeigt sich Eichel in dieser Frage unbeugsam. Ebenso Bundeskanzler Gerhard Schröder.

Noch keine Hinweise auf mögliche Zugeständnisse gibt es auch bei Änderungen, die die bisherige Systematik des Steuersystems auf den Kopf stellen: der steuerlichen Bevorzugung von einbehaltenen Gewinnen gegenüber ausgezahlten und beim Optionsmodell. Einbehaltene Gewinne sollen künftig nur noch mit 25 Prozent versteuert werden, ausbezahlte müssen hingegen neben den 25 Prozent vom Anteilseigner noch einmal versteuert werden. Damit sollen die Unternehmen angereizt werden, das Geld lieber wieder zu investieren – möglichst in Arbeitsplätze.

Das Optionsmodell soll Personengesellschaften ermöglichen, sich wie eine AG oder GmbH besteuern zu lassen – also mit 25 Prozent Körperschaftssteuer statt mit dem jeweils zutreffenden Einkommenssteuersatz, der in der Spitze bei 45 Prozent liegt. Nach Einschätzung von Experten wie dem Vorsitzenden der Steuergewerkschaft, Dieter Ondracek, wird jedoch nur höchstens jeder zwanzigste Unternehmer diese Möglichkeit nutzen können – sie ist kompliziert und bringt Nachteile bei der Erbschaftssteuer.

Trotz alledem: Gute Hoffnung, dass es spätestens in den Bundesratssitzungen ab dem 9. Juni zu einem Konsens kommt, zeigten alle Beteiligten. Schließlich gelten Steuersenkungen derzeit bei Regierung wie Opposition als „absolut notwendig“. Auch wenn das DIW zu Recht die Frage stellt, ob Deutschland angesichts durchschnittlicher Steuersätze von 30 bis 45 Prozent in der OECD tatsächlich mit der Körperschaftssteuer so weit heruntergehen muss. Und obwohl eine Frage immer noch ungeklärt ist: wie nämlich Finanzminister Eichel das Gesamtpaket Steuerreform, das zusätzlich zu den Entlastungen für die Unternehmen auch niedrigere Einkommenssteuertarife vorsieht und insgesamt rund 44 Milliarden Mark kosten wird, überhaupt bezahlen will.