Anteile am Thermalbad

Sachsens PDS wirbt neuerdings für den „schuldenfreien Sozialismus“

DRESDEN taz ■ Oybin heißt ein kleiner Ort im Zittauer Gebirge, mit romantischer Klosterruine, vermuteter Thermalquelle und einem PDS-Bürgermeister. Der heißt Hans-Jürgen Goth und träumt von Kurhotel, Bäderbetrieb, Aufschwung. Sein Problem: Die Probebohrung für die vermutete Quelle kostet 900.000 Mark – eine utopische Summe.

Aber was heißt Problem – der Bürgermeister gründete eine Aktiengesellschaft, die 1.500 Anteilscheine à 300 Euro feilbietet. Die Oybiner – so sein Plan – sollen den Profit des Aufschwungs einstreichen. Genosse Goth: „Wir biegen uns den Kapitalismus zurecht.“

Anfang der Woche entschied sich dazu auch die PDS-Landtagsfraktion in Sachsen. Sie traf sich in Oybin zu einer spektakulären Klausur. „Wir haben nur formuliert, was sich gerade zum Konsens der Gesamtpartei entwickelt“, verteidigt Haushaltspolitiker Ronald Weckesser den neuen Finanzkurs der Sachsen-PDS. Ab sofort werden die Sozialisten den rigiden Sparkurs der Regierung Kurt Biedenkopfs stützen.

„Die Fraktion einigte sich, keine höhere Neuverschuldung als die vom Finanzminister geplante zu dulden“, so Fraktionssprecher Marcel Braumann. Heißt das: Schluss mit den PDS-Forderungen nach mehr Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM), nach öffentlich gefördertem Beschäftigungssektor, mehr Geld für Bildung, Jugend und Kultur? „Wir wollen dafür sorgen, dass vorhandenes Geld gerechter ausgegeben wird“, erklärt Weckesser. Es sei unerträglich, dem Wahlvolk wunderbarste Dinge zu versprechen, von denen man weiß, dass sie nicht finanzierbar sind.

Im nächsten halben Jahr wird Sachsens PDS deshalb erstmals einen eigenen Haushaltsentwurf erarbeiten, der Geld „intelligenter einsetzen soll“. Grundlage bildet ein von der Fraktion verabschiedetes Acht-Punkte-Konzept, dass den verwirrenden Namen „Schuldenfreier Sozialismus“ trägt. Besonders die SPD in Sachsen-Anhalt und Brandenburg zeigte sich interessiert an dem Papier. Die Sozis baten, das Papier geschickt zu bekommen, „um es der dortigen PDS unter die Nase zu halten“, wie Weckesser formuliert. Darüber kann er allerdings nur staunen: „Im Grundsatz war das, was wir in Sachsen aufgeschrieben haben, Konsens auf der letzten Beratung aller Haushalts- und Finanzpolitiker der PDS“. Die hatten am 25. Februar in Potsdam getagt.

Bürgermeister Goth indes hat erst 100 seiner Aktien verkauft. Bis Ende des Monats will er noch warten. Dann werden sie deutschlandweit angeboten. Fünf der dreißig PDS-Abgeordneten investierten nach ihrer Klausur. Vielleicht wird es ja etwas mit dem Profit. NICK REIMER