„Wir sind die Partei“

Der Kommunist und Hue-Kritiker Pierre Lévy (41) beschreibt dieneue Rolle der Linken innerhalb der KPF: „Gegen die Regierung kämpfen“

taz: Wie lässt sich dieser KPF-Kongress an?

Pierre Lévy: Sein Ergebnis stand schon vorher fest. Fast alle Widerstände gegen die Vorgaben der Direktion sind in den vergangenen Wochen in lokalen und regionalen Konferenzen ausgegrenzt worden.

Woran liegt es, dass in den vergangenen Wochen vielerorts Kommunisten die Politik der Mutation kritisiert haben?

Viele stellen jetzt fest, dass die Leitung der KPF, die in Martigues gewählt werden wird, exakt jener Liste entspricht, mit der die KPF im vergangenen Jahr in den Europawahlkampf gezogen und gescheitert ist: „Bouge l'Europe“. Und sie merken, dass die Parteiführung dabei ist, einen dreifachen Bruch zu vollziehen: Erstens einen Bruch mit der Welt der Arbeit – sie steht nicht mehr im Zentrum der Partei. Zweitens stellt sie das Individuum in den Vordergrund, vor das Kollektiv. Drittens schafft sie ein neues Verständnis von Souveränität und damit von der politischen Fähigkeit eines Landes, seine eigene Zukunft zu bestimmen.

Werden die Hue-Kritiker jetzt die KPF verlassen und – vielleicht nach italienischem Vorbild – eine neue kommunistische Partei gründen?

Dazu ist es zu früh. So ähnlich wie die Demonstranten in Ostdeutschland 1989 gerufen haben: „Wir sind das Volk“, sagen jetzt wir: Wir sind die Partei. Das heißt nicht, dass wir die Parteileitung bekämpfen, sondern dass wir uns an ihrer Stelle an den sozialen Auseinandersetzungen beteiligen und gegen die Regierung kämpfen.

Robert Hue sagt, es gäbe nur die Alternative von Mutation oder Verschwinden. Stimmt das?

Das ist eine Erpressung. Aber natürlich sagt niemand, dass die Partei so bleiben soll, wie sie ist. Wir müssen uns ändern. Aber wir müssen das ausgehend von unserer Erfahrung und unseren Kämpfen und unseren theoretischen Ausarbeitungen tun. Wir müssen den Marxismus bereichern, statt ihn zu verlassen, wie es gegenwärtig geschieht.

Warum debattiert die KPF erst jetzt über den Stalinismus – über ein Jahrzehnt nach dem Mauerfall?

Weil es innerhalb der KPF vorher zu viele Widerstände dagegen gab. Dass es jetzt passiert, ist stark durch die Regierungsbeteiligung der KPF bedingt.

Interview: DOROTHEA HAHN

„Bastille, République, Nation – la Mutation du PCF, cette étrange défaite“, Die kritische Bestandsaufnahme der „Mutation“ der KPF, erschien im Februar 2000 bei éditions Michalon, Paris