Der Ernstfall

Alberne Posen: „Showcase Beat Le Mot“ mit „Burn Cities Burn“ auf Kampnagel  ■ Von Ralf Poerschke

Es macht ja gar keinen Sinn, die Performance-Gruppe Showcase Beat Le Mot und ihre neue Arbeit Burn Cities Burn überhaupt ernst zu nehmen. Und da sich die fünf Gießener Angewandten Theaterwissenschaftler in Selbstdarstellungen gern wortreich beweihräuchern und von Fanzines ganz in ihrem Sinne feiern und erklären lassen, soll folgende Eigeninterpretation gleich auch den Anfang dieses Artikels markieren: „Wir werden uns nicht auf den kulturpessimistischen Kanon einer Weltuntergangsfeier einlassen, sondern demonstrieren, wie ein Leben nach dem Ernstfall weitergehen kann und wie sich neue Ideen und jahrhundertealte Techniken für ein Weiterleben nutzbar machen lassen.“ Und das kann ich schon mal verraten: Wenn die Zukunft der Menschheit in den Händen dieser jungen Männer läge, möchte zumindest ich nicht zu den Überlebenden der Apokalypse gehören.

Doch von vorne: Showcase verachten das Theater und seine herkömmlichen Kategorien, und schon Kampnagel riecht für sie eigentlich nach alter, etablierter Bühnenkunst. So haben sie sich ein paar Meter weiter im Alabama-Kino ihren Bunker eingerichtet. Für das Publikum tritt der Ernstfall tatsächlich ein: Es muss reichlich unkomfortabel auf Getränkekisten Platz nehmen oder auf Lkw-Schläuchen. Und die Performer eröffnen ihre Show mit einer langwierigen Demonstration zum Thema Widersprüchlichkeit: Während sie untenrum überhaupt nichts anhaben, schlüpfen sie oberhalb der Gürtellinie in einen Pullover nach dem nächsten, bis sie schön dick und rund wirken; Lichtblitze von im Foyer zum Preis von zehn Mark feilgebotenen Einwegkameras zucken durch den dunklen Raum, vereinzelt kieksen da weibliche Zuschauer, schließlich bezeichnen sich Showcase ja unter anderem als Boygroup. Soviel schon mal zu den neuen Ideen und den jahrhundertealten Techniken.

Was dann in noch etwa anderthalb Stunden aufgefächert wird, ist eine lose komponierte, sorglos verschliffene Revue, wobei fast jede Nummer ein ganzes Stück zu lang erscheint. Solange sich keiner der Akteure rührt und mithin die Musik in den Vordergrund tritt, nervt es zumindest nicht; und wenn sie bemüht unambitioniert ihre kleinen absurden Geschichten zum Vortrage bringen, ist manchmal beinahe so etwas wie Poesie mit im Spiel. Wenn aber beispielsweise Nikola Duric mit Lichterketten in Mund und Anus über den Boden krabbelt oder alle zusammen zu harten Gitarren wie Teenies abhotten, berührt das recht peinlich. Was ursprünglich vielleicht als Entspannungsübung für Kulturgestresste gemeint war, verbreitet fatalerweise die Atmosphäre immenser theatralischer Anstrengung, die freilich sogleich restlos verpufft. Eigentlich überflüssig zu erwähnen, dass diese großen Jungs inhaltlich-politisch so gut wie nichts zu vermitteln wissen.

Pop will eat itself: In der dritten (Kampnagel-)Produktion der 1997 aus der Taufe gehoben Freundesclique gerinnt die Totalerweigerungshaltung gegenüber Theater, wie wir es kennen, und Schauspielerei, wie sie gelehrt wird, zur nur noch albernen Pose. Das Prinzip, Pop nicht als neue Theaterform installieren zu wollen, sondern sie als Pop, der Pop bleiben soll, von außen auf das Theater zu richten, aber dessen Räume und finanziellen Mittel zur Verfügung gestellt bekommen – dieses Prinzip ist lediglich eine theoretische Luftblase. Praktisch umgesetzt, fehlt es dem Experiment gänzlich an Wucht, und mittlerweile können sich Showcase Beat Le Mot auch nicht mehr darauf berufen, sie müssten noch üben für ihren großen Coup. Also raus aus den Theatern, keine Förderung mehr, und rein in die Clubs, Touren über die Dörfer, und gefälligst Geld verdienen wie all die anderen Popkünstler auch, die wenigstens ihr Handwerk beherrschen! Und viel Spaß dabei!

noch 29. März bis 1. April sowie 5. bis 8. April, 20.30 Uhr, Kampnagel