besuch der alten dame
: DETLEF KUHLBRODT über Hertha-Fans

Nichts ist mehr, wie es war

Was Robert Schwan, 78, nun macht, nachdem er von seinem Posten als Aufsichtsratsvorsitzender – ein Titel, der an den ehemaligen Staatsratsvorsitzenden gemahnt – zurückgetreten ist, soll hier nicht erörtert werden. Nur so en passant erwähnt, dass der gute Mann in seiner Physiognomie doch sehr an Stefan Heym erinnert.

Bei Hertha denke ich an Wurst und die Bekannte eines Freundes aus den Kumpelnestzusammenhängen, die mal bei einer Peepshow gearbeitet hatte und eine Weile lang als „Funkturm“ berühmt war, benannt mithin nach dem berühmten Abwehrrecken der Siebziger, dem unvergessenen Uwe Kliemann. (Gerade bin ich mir etwas unsicher, ob Kliemann tatsächlich Uwe hieß; vielleicht hieß er auch einfach nur Kliemann ohne was davor. Der andre Mann aus dem Mittelfeld nannte sich jedenfalls Erich und wirkte in einer heillosen Zeit der deutschen Fußballkunst.)

Die Hertha-Gaststätte „Holst am Zoo“ ist viel angenehmer, als unsere Leserschaft mutmaßlich vermutet, und der einzige wirkliche Hertha-Fan, den ich kenne, ist ein notorischer Altkiffer und wird sich demnächst eine Domain unter dem Namen „dieLanghaarigen.de“ sichern. Am Samstagnachmittag spielen Kinder am Fußballcomputer von Karstadt a. H. (am Hermannplatz) die kommenden Hertha-Spiele durch. Man bleibt eine Viertelstunde stehen und schaut, was wohl dabei rauskommt. Heirate doch deine blöde Hertha!

Am Samstagnachmittag spielen wir Tischtennis und hoffen auf einen Haschfall bei Hertha. In den Achtzigerjahren sei es eigentlich am besten gewesen mit der Hertha, sagt jemand. Am schönsten war es also, mit der Bahn zu Hertha-Auswärtsspielen nach Hannover zum Beispiel zu fahren. Zwischen den blauweißen Fans brauchte man keinen Ausweis und auch keine Fahrkarten, kein Schaffner und auch kein Grenzbeamter hätte sich in die Wagen mit den Hertha-Fröschen getraut.

Solche Fahrten gibt’s nicht mehr. Die Lieder, die nun zuweilen in den mit Hertha-Fans gefüllten Wagons gesungen werden, nun ja: „Wir bauen eine U-Bahn von Auschwitz bis nach St. Pauli.“ Das schockt nicht, hätte man als Teenager Ende der 70er-Jahre gesagt! Das schockt total nicht! Basti, schreite da mal mit deinen Krücken ein, bring Röber mit, und Hoeneß, hilf!

Beim größeren Teil der Fans hat das Geld, das man in die Hertha steckte, allerdings mittlerweile seine zivilisatorischen Effekte gezeitigt. Und einiges am Brauchtum der Fussballfreunde sorgt immer noch für gute Laune. Etwa wenn dann alle „wippen!“ rufen und dem auch mit viel Spaß an der Freude im U-Bahn-Wagen gern nachgekommen wird. Der schaukelnde U-Bahn-Wagen gefällt mir eigentlich am besten an Hertha.