Eintracht Südring ist wieder Meister

Im Badminton sind die Berliner Spitzenklasse. Doch obwohl die Federballszene boomt und letztes Jahr sogar mehr Federball- als Tennisschläger verkauft wurden, bleibt Badminton noch immer eine Randsportart

Zwei Duschhauben sind eine recht ungewöhnliche Eintrittskarte. Doch die Duschhauben sind für die Füße, und sie gelten auch nicht als Billett, sondern müssen über die Straßenschuhe gestreift werden, bevor man die Halle betritt – damit der Boden nicht leidet.

Also tut man wie geheißen und schlurft, knöchelabwärts in blaues Plastik gehüllt, zum wichtigsten Spiel des BC Eintracht Südring. Ausnahmen werden nicht gemacht, auch wenn sich die Berliner gegen Bayer Uerdingen gerade anschicken, zum dritten Mal die deutsche Meisterschaft zu gewinnen. Ein Unentschieden würde genügen, und die Berliner wären vor dem letzten Spieltag von den Verfolgern aus Uerdingen und Regensburg nicht mehr einzuholen.

Von der womöglich bevorstehenden Krönung einer außergewöhnlichen Saison, an deren Beginn der Gewinn des Europapokals der Landesmeister stand, ist nicht viel zu spüren. Zwar wartet eine an der Hallendecke festgezurrte Luftballontraube darauf, auf die rund 450 Zuschauer niederzuschweben, und die Bee Gees prophezeien zum Aufwärmen „You win again“, sonst herrscht nachmittägliche Kaffee-und-Kuchen-Stimmung. Aufgeregt ist hier niemand. Außer Rainer Behnisch vielleicht. Der Manager und Trainer des BC weiß natürlich wie kein Zweiter um die Wichtigkeit dieses Spieles, denn: ohne Titel keine Öffentlichkeit, ohne Öffentlichkeit keine Sponsoren und ohne Sponsoren keine Chance, den sowieso schon knappen Etat von 200.000 Mark wenigstens zu halten.

Badminton ist eine Randsportart, klar, auch wenn sein kleiner Bruder im Breitensport (auf das Wort Federball reagiert man in der Szene allergisch) nach wie vor boomt: 1993 wurden von der Industrie erstmals mehr Badminton- als Tennisschläger verkauft, die Zahl der Freizeitsportler wird auf rund vier Millionen geschätzt.

Im Verband sind dagegen lediglich rund 170.000 Mitglieder organisiert. Ihre Anzahl stagniert. In der Bundesliga sind selbst die Topleute allerhöchstens Halbprofis. Und weil das Niveau der einheimischen Spitzenspieler für deutsche Meisterschaften oder gar Europapokale nicht ausreicht, sieht man sich auch bei Eintracht Südring gezwungen, sich von Gastspielern unter die Arme greifen zu lassen, die zu den Begegnungen eigens eingeflogen werden.

In Berlin sind das sechs Schweden. Für einen von ihnen hatte das Spiel am Samstag eine besondere Bedeutung. Jens Olsson. Der 35jährige Ex-Weltklassespieler war Pionier der Berlin-Göteborg-Verbindung und personifiziert die rasante Entwicklung des kleinen Kreuzberger Klubs vom Überraschungsaufsteiger 1994 bis zum Europapokalsieger 1999 wie kein Zweiter. Fast wäre das Drehbuch auch perfekt gewesen: Badminton-Wettkämpfe werden in acht Spielen (drei Herren-Einzel, zwei Herren-Doppel, ein Damen-Einzel, ein Damen-Doppel und ein Mixed-Doppel) entschieden. Und vor den beiden letzten Herren-Einzeln, beim Stand von 3:3, war man sich hinter den Banden sicher: Den entscheidenden Punkt zu holen, das bleibt wieder mal an Olsson hängen.

Es kam jedoch anders, und erst als es dann vollbracht war, konnte auch Rainer Behnisch der Idee eines filmreifen Endes dieses Badminton-Nachmittags etwas abgewinnen: „Ja, das wäre die perfekte Dramaturgie gewesen.“ Weil aber auf dem Court nebenan zeitgleich Daniel Eriksson über sich hinauswuchs und den niederländischen Nationalspieler Chris Bruil mit 15:6 und 15:9 düpierte, verkam der letzte Auftritt des Jens Olsson zur Randnotiz.

Doch derjenige, der laut Hallensprecher vor sechs Jahren „mit einem Ufo aus der fernen Milchstraße der Stars“ in der Kohlfurter Straße gelandet ist, tat, was er meistens tat: gewinnen und damit den letzten Punkt zum 5:3-Erfolg über den eigentlichen Meisterschaftsfavoriten Bayer Uerdingen beisteuern. Vielleicht hätte er sich das noch mal anders überlegt, wenn er gewusst hätte, dass ihm die Glückwünsche wenig später mittels einer Sektdusche aus der Magnum-Flasche überbracht werden würden. Spätestens ab diesem Zeitpunkt war dann auch die Sache mit den Plastikgaloschen ad absurdum geführt. Was sind schließlich Abdrücke von Straßenschuhen gegen klebrige Alkoholflecken? Vielleicht darf der SC Eintracht Südring ja auf Nachsicht des Hausmeisters hoffen – jetzt, als deutscher Meister. HOLGER STRÖBEL