Christoph besorgt um Christas Nachlass

Christoph Stölzl wird als Nachfolger der zurückgetretenen Kultursenatorin Christa Thoben gehandelt und fordert den Bundestag auf, sich der Berliner Kulturdebatte anzunehmen. Naumann fordert indes Klarheit

Nach dem Rücktritt von Kultursenatorin Christa Thoben (CDU) ist bundesweit eine heftige Diskussion zur Zukunft der Hauptstadt-Kultur entbrannt. Der Feuilleton-Chef der Welt, Christoph Stölzl, der als ihr Nachfolger im Gespräch ist, sagte gegenüber der taz, dass die „unglaubliche Unterfinanzierung“ der hiesigen Kulturinstitutionen eine Überprüfung der im Einheitsvertrag der Kommune Berlin übertragenen Kulturaufgaben nötig mache. Zugleich kündigte die Vorsitzende des Kulturausschusses, Elke Leonhard (SPD), an, der Bundestag werde die Verantwortlichen an einen Tisch bringen, um die nötigen Mittel zu mobilisieren. Stölzl hatte am Wochenende eine solche Diskussion angeregt.

Der ehemalige Chef des Deutschen Historischen Museums kritisierte gestern weiterhin, dass bei der Kultur in der Hauptstadt eine „Überanstrengung der Kommune“ stattfinde. Berlin müsse ein „dreifaches Erbe“ schultern: Die Tradition der Finanzierung der reichsweiten Kultur durch Preußen vor 1918, die Institutionen der DDR-Kulturpolitik wie des Berliner Ensembles und die bundesweit geförderte Kultur West-Berlins zu Zeiten des Kalten Krieges.

Stölzl schloss sich der Forderung von Staatsminister Michael Naumann an, mehr Klarheit über die wahre Verteilung der Ausgaben zu erlangen. Da habe Thobens Vorgänger Peter Radunski viele Fragen „nicht wirklich beantwortet“. Stölzl zeigte sich offen sowohl für eine vollständige Finanzierung Berliner Kulturstätten über den Bund oder andere Länder, als auch für ein Ende des vereinbarten De-Facto-Kündigungschutzes in den öffentlich finanzierten Häusern.

Mittlerweile, so Stölzl weiter, sei die Kulturhoheit der Länder nur noch eine „Lebenslüge“ der Hauptstadt. Berlin und Bund seien in der Kulturpolitik miteinander verbunden „wie ein Ehepaar“. Zur Nachfolge von Christa Thoben wollte sich Stölzl gestern nicht äußern. Im Gespräch waren am Wochenende neben Stölzl der ehemalige Wissenschaftsstaatssekretär Erich Thies (CDU) und die Kulturausschuss-Vorsitzende Monika Grütters (CDU).

Elke Leonhard sagte, der Bundestag habe den Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) zur Ausschuss-Sitzung des Bundestages am 5. April eingeladen. Dabei solle es um die Kulturpolitik der Hauptstadt gehen. Danach wollen die Parlamentarier eine öffentliche Anhörung mit den Intendanten und Geschäftsführern der Berliner öffentlichen Kulturstätten organisieren.

Die von Diepgen geforderte stärkere Beteiligung des Bundes wies die Kulturexpertin Leonhard zurück. Dem Bund dürfe nicht allein der Schwarze Peter zugeschoben werden. Die SPD-Politikerin zeigte sich überrascht über die offiziellen Gründe für den Rücktritt Thobens. Es sei „wenig professionell“, dass die CDU-Frau den Posten angenommen habe, ohne vorher „eisenhart“ zu verhandeln und so mehr Geld zu erhalten. Unverständlich sind ihr auch Mutmaßungen wie die von der Ex-Sozialsenatorin Beate Hübner (CDU) und von dem FDP-Landeschef Günter Rexrodt, Diepgen habe die Senatorin weggemobbt: „Thoben ist doch nicht erst gestern in der Politik.“

Unterdessen widersprach Diepgen am Wochenende der Ansicht, der Thoben-Rücktritt habe eine Senatskrise ausgelöst. Er forderte erneut vom Bund mehr Geld für die Hauptstadt-Kultur, wogegen sich Naumann wehrte. Der verwies darauf, dass Berlin fast ein Drittel der Kulturausgaben des Bundes erhalte. Zugleich forderte Naumann eine Entschuldung des Etats. Thoben hatte nach ihrem Rücktritt Naumann angegriffen. Er solle „mit seinem wenigen Geld, bei dem er so viel mitreden will in Berlin, einmal vier Wochen den Job des Kultursenators machen, dann sähe er manches anders“.

PHILIPP GESSLER

Zitat:

STÖLZL, EVTL. THOBEN-NACHFOLGERDie Berliner Kultur ist unglaublichunterfinanziert, die Kommuneüberanstrengt.