Createure in der Modewüste

Der Ruf Berlins als Modeprovinz hält sich hartnäckig. Aber ebenso hartnäckig versuchen die jungen Modemacherund Designer, diesem Ruf zu entfliehen. Doch die Modeindustrie ist noch immer nicht in die Hauptstadt zurückgekehrt

von ANNETTE ROLLMANN

Es ist heiß und schwül. Die Scheinwerfer werfen ihr Licht auf den weißen Laufsteg. Dort stolzieren sie mit herausgedrückter Brust vor dem Publikum aus älteren Damen hin und her. Auf zarten Riemchenschuhen zeigen die Models Seidenkostüme in Gelb und Kombinationen in Weiß, bauchnabelfrei. Sie zeigen das, was man den Frühling nennt. Sie lächeln und sie sind schön, und die Damen klatschen.

Am Wochenende fanden im Berliner Stilwerk die Schauen der dritten Createure Woche statt. Jeden Tag präsentierten sich Berliner Designer, waren Modenschauen im neuen Design Center zu sehen. Den Auftakt machte der Kürschner „Fechner Pelz&Lederdesign“, dann kam „Nadini“ mit feminien und sexy Kostümen, schließlich der elegante „Paltó Berlin by Stephan Griese“.

Und mit Stephan Griese und Franziska Nadini wären wir beim eigentlichen Thema. Denn eigentlich sind sie empört, die Designer in Berlin. Mehr noch, sie sind sauer. Denn obwohl sich in vielem das Berlinbild zum Berlin-Hype verändert, verhält sich nach dem Eindruck der Modemacher die Hauptstadtpresse so provinziell wie zu Zeiten der Mauer. Die Zeitungen seien desinteressiert, warf beispielsweise Griese den Journalisten vor. Wobei einige Damen der angesprochenen Zunft empört konterten, der Verband der Createure, der sich vorgenommen hat, die Berliner Designer nach außen zu vertreten, agiere unprofessionell. Und so werden die Schuldzuweisungen hin- und hergereicht.

Was ist passiert? Im Gegensatz zu anderen Städten gibt es in Berlin keine Modeindustrie. Nur wenige Häuser – wie etwa Zapa und Sandra Pabst – fertigen große Kollektionen an. Insgesamt gibt es nur zwölf Betriebe mit über zwanzig Beschäftigten. Mode aus Berlin heißt momentan vor allem Mode von kleinen Designern mit durchschnittlich fünf Angestellten. Von dieser Größenordnung gibt es allerdings gleich 200, die von hochpreisiger Couture in Einzelstücken bis hin zu Techno-Szene alles machen.

Große Messen wie in Düsseldorf die CPD hat Berlin nicht. Schauen, wie sie in Paris, Mailand und Rom stattfinden, davon kann Berlin nur träumen. Der Verband der Berlin Createure will die Mode aus Berlin nun bekannter machen, aufbauen auf das Image, das Berlin als Modestadt in den Zwanzigerjahren hatte.

Vor dem Zweiten Weltkrieg gab es am Hausvogteiplatz im Ostteil der Stadt ein großes Zentrum der Modeindustrie. Während der Nazizeit mussten die jüdischen Konfektionäre emigrieren. Nach dem Krieg siedelten sich die restlichen Konfektionäre im Westteil der Stadt an, der Hausvogteiplatz war stark zerstört. Doch die so genannten Zwischenmeister, die Näher, Bügler und andere Handwerksbetriebe, saßen im Ostteil der Stadt. „Mit dem Bau der Mauer war 1961 die Modeindustrie mit einem Schlag kaputt“, erzählt Ruth Haber, eine der wenigen alteingesessenen Modejournalistinnen in Berlin, die geblieben sind. Haber: „Davon hat sich die Modeindustrie in Berlin bis heute nicht erholt.“

Das färbt sich natürlich auf den „Look“ ab. „In Berlin kann man keine Trends von der Straße abgucken“, sagt das 25-jährige Model Ulrike. „In London ist das ganz anders. Dort sieht man auf der Straße, was kommen wird.“

Auch wenn die Mode aus Berlin den Touch des Kunsthandwerks verliert und zu Design wird, ist sie oftmals nicht wirklich Avantgarde: Sie ist tragbar und schön. Manche würden sie aber gerade deshalb als konventionell bezeichnen. Designerin Anja Stöhr: „In Berlin sind wenige Menschen bereit, für Mode Geld auszugeben. Und die, die Geld haben, kaufen eher etablierte Marken.“ Allerdings sei das Schrille auch „abgecasted“. Und auch bei der Präsentation von Mode ist sie zurückhaltend. „Heute kann man das Extreme nicht mehr toppen. Es ist alles gemacht worden.“

Anders als in Paris und London geben aber auch die Models und Designer in Berlin keinen schrillen Auftritt. Die Szene kennt sich gut und lange. Manche Mannequins haben die 35 schon überschritten. „In Paris laufen doch nur Föten auf dem Laufsteg“, sagt ein Mannequin. Dort müsse man 1,80 Meter groß sein und Größe 32 tragen. „Krank, nicht?“

Mit den vielen finanzkräftigen Neuberlinern drängen Nobelmarken wie Escada, Donna Karan und Gucci ins Quartier 206, die edle Einkaufsmeile an der Friedrichstraße. Drängen? In der Szene wird getratscht, dass der Investor Anno August Jagdfeld die Läden immer noch mietfrei abgeben muss, damit eben Donna Karan, Escada und Gucci überhaupt ihre Flagship-Stores eröffnen. Stöhr: „Schick zu sein wurde in Berlin immer als politisches Statement verstanden. Das kam in Berlin bislang nicht gut an.“