„Berlin bemüht sich“

Gerne wäre die Hauptstadt eine „Capital of Talents“. Doch in anderen Städten gibt es größere Talente. Etabliert sind bislang nur die Medien- und Werbebranche

Der Slogan, mit dem sich das „neue Berlin“ neuerdings vermarktet, heißt „Capital of Talents“. Berlin, die deutsche Hauptstadt, als weltläufige Stadt, als internationale Metropole, die in einem Atmezug mit London, Paris und Rom genannt wird. Doch stimmt das wirklich? Man muss es so bieder ausdrücken, wie die Stadt noch allenthalben ist: Berlin bemüht sich.

Die Stadt, die lange im großen Schatten der Mauer lag, war abgeschnitten vom internationalen Flair anderer Metropolen, die anderen Großstädte Deutschlands liefen Berlin den Rang in Schick und Lifestyle ab.

„Berlin hatte immer das Vorzeichen, kritisch und anders zu sein, und trug das mit einer antibürgerlichen Attitüde vor“, sagt Klaus Siebenhaar. Siebenhaar ist Professor für Kultur- und Medienmanagement an der Hanns Eisler Hochschule für Musik. Verbunden damit „galt Berlin als Ort, wo kein Geld zu verdienen ist“, sagt Thomas Heilmann, Chef von Scholz & Friends Berlin. Doch dieses Bild verändert sich gerade.

Das Selbstverständnis, vor allem „geprägt durch die vielen Neuen aus der Medienbranche“, so Heilmann, schafft eine neue Szene und einen neuen Markt. „Die Milieus haben sich völlig verändert. Das Schöne ist, der Berliner Style ist dreckiger als der von Düsseldorf und kreativer als der von Hamurg und München“, sagt Siebenhaar.

Gab es in Berlin bis auf Scholz  Friends Berlin bislang kaum namhafte Werbeagenturen, so boomt der Markt nun. „Anfang der Neunzigerjahre war Berlin ein Problem, jetzt ist es ein Argument“, sagt Heilmann. Bekannte Werber wie Weber Hodel Schmid aus der Schweiz, die Reklame für Smart machen, oder die Hamburger Junkreativen „Zum Goldenen Hirschen“ gründen Dependancen in der Hauptstadt.

Die eher schon etablierte Agentur „Jung von Matt“ will im Sommer sogar ihren zweiten Hauptsitz neben Hamburg in Berlin aufmachen. Die Agentur wird dann ihren größten Etat, die Deutsche Post, von Berlin aus betreuen.

„Aber wir kommen nicht wegen der Kunden nach Berlin, sondern wegen der Mitarbeiter. Die guten Kreativen werden alle über kurz oder lang nach Berlin ziehen“, glaubt Jean-Remy von Matt, der auch selbst künftig seinen Wohnsitz in der Hauptstadt nehmen will.

Ähnlich verhält es sich bei Unternehmensberatungen, die es bislang fast ausschließlich – bis auf McKinsey und A. T. Kearney – in München, Frankfurt am Main oder Hamburg gab. Boston Consultings, eine der größten Unternehmensberatungen der Welt, machte im Winter eine Dependance in einem Industriebau in Mitte auf.

Mit den Unternehmensberatungen und den Agenturen kommt auch das Geld. Wolfgang Branoner, Wirtschaftssenator von Berlin, kann mit einer beeindruckenden Zahl aufwarten: Die gesamte Kommunikationsbranche mache mit gut 100.000 Beschäftigten in 8.000 Unternehmen etwas 20 Milliarden Mark Umsatz.

Dennoch: Im Vergleich zu Hamburg und München steckt für die Profis der Kommunikationsbranche in Berlin alles noch in der Kinderschuhen. Alexandra von Rehlingen, die ebenfalls eine Dependance ihrer Hamburger Agentur Schöller & von Rehlingen in Berlin gegründet hat, nennt Berlin zwar „die Stadt der Events. Aber die Kaufkraft ist nach wie vor nicht mit der Düsseldorfs oder Hamburgs zu vergleichen.“ Von Rehlingen organisiert neben Fund Raising Dinnern neuerdings „Lady’s Lunches“ in Berlin. „Dort werden Damen der Gesellschaft und aus den Medien eingeladen. Für viele ist Networking ganz wichtig.“

In Sachen Mode bemüht sich die Stadt gerade um eine neues Image und möchte mit verschieden Förderprojekten des Senats und unterschiedlichen Events Berlin ins Gespräch bringen. In der vergangenen Woche wurde in den Galeries Lafayette an der noblen Friedrichstraße das „Festival de la mode“ veranstaltet. Und in dem erst im Herbst eröffneten Stilwerk, einem Designkaufhaus in Charlottenburg, fanden gerade die „3. Createure Wochen“ statt, bei denen elf Berliner Designer ihre Kollektionen zeigten.

Doch Berlin bedient sich vor allem einer neuen Form des Crossover. „Es entsteht ein Netzwerk von Kulturdienstleistern“, so Siebenhaar. Galerien wie Matthias Arndt & Partner bieten in Mitte beispielsweise Art Services an, organisieren „Kunstrundgänge“ und beraten Privatleute in Sachen Kunst. Unternehmensberatungen versuchten in Berlin, so der Geschäftsführer des Zentralverbandes der Deutschen Werbewirtschaft, Volker Nickel, mehr und mehr ins Agenturgeschäft hineinzukommen.

Klassische Werbeagenturen hingegen versuchten bei den Unternehmen mehr Einfluss in den Strategieentscheidungen zu erlangen. „Berlin ist angekommen“, beschreibt Thomas Heilmann die Gegenwart. „Die Stadt ist Capital of Talents geworden. Aber sie darf sich nicht ausruhen.“ ANNETTE ROLLMANN