Ernsthaft falsch geerdet

Nach dem 1:1 gegen Freiburg hat Leverkusen die Tabellenführung verpasst, ist sich abersicher, dass es nächste Woche weiter geht, möglichst ohne „eindimensionale Kausalkette“

aus LeverkusenKATRIN WEBER-KLÜVER

Es ist ihnen wieder passiert. Sie kennen das schon bei Bayer Leverkusen: Ein vermeintlich einfaches Spiel gegen eine nominell unterlegene Mannschaft, und dann bekommen die Spieler von Christoph Daum partout den Ball nicht ins Tor. Die Erinnerung geht zurück in den Herbst: Wie damals NK Maribor in der Champions League so spielte nun auch der SC Freiburg in der BayArena konsequent defensiv und rang Bayer damit genau wie die Slowenen eine Punkteteilung ab. Seinerzeit flog Leverkusen durch ein 0:0 aus dem internationalen Wettbewerb, diesmal verpasste der Verein durch ein 1:1 die Bundesliga-Tabellenführung.

Es hatte nichts genutzt, dass Daum nach dem 9:1-Spektakel in Ulm den Terminus der „eindimensionalen Kausalkette“ erfand, um die elektrisierte Begeisterung über bayerschen Ballzauber zu erden. Zwar verstand wohl jeder bei nüchterner Betrachtung des Trainers Ausführungen, dass nach einem solchen Auswärtserfolg nicht ernsthaft mit einem ähnlichen, gar noch besseren Heimresultat gerechnet werden dürfe. Aber ein Erfolg war trotzdem allemal einkalkuliert. Wer wollte schon ernst nehmen, dass Daum noch mahnte, es gehe in jedem Spiel „immer wieder bei Null los“?

Es kam noch schlimmer. Gerade drei Minuten waren gespielt, da lag Freiburg bereits in Führung. Es waren womöglich alle Leverkusener Spieler so konzentriert darauf gewesen, konzentriert und kontrolliert zu Werke zu gehen, dass sie gar nicht mitbekamen, was sich tatsächlich in ihrem Strafraum abspielte: Ein einfacher Pass von Ramdane auf Kobiaschwili, der recht freistehend den Ball ins Netz schob. Das bedeutete, wie Daum später ohne Übertreibung, „eine hundertprozentige Chancenverwertung“ der Freiburger, „wie in der Vorwoche“, ergänzte er noch.

Der Scherz gefiel dem Trainer selbst am wenigsten. Denn die exakt selbe Feldformation wie in Ulm spielte zwar „Einbahnstraßenfußball“ (Daum), aber der war von Kombinationszauberei weit entfernt.

Wohl geschockt vom Rückstand, wirkte Leverkusen vor allem in der ersten Halbzeit gebremst. Daum kritisierte, es habe oft „ein Mann mehr“ in der Defensive gestanden. Was besonders deshalb eine Verschwendung war, weil Freiburg sichtlich keine ernsthaften Angriffsbemühungen mehr unternahm. Dass die seit Monaten durch Verletzungsausfälle geschwächten Gäste sich komplett auf Defensive konzentrierten, war nicht verwunderlich. Sie waren mit ihrem allerletzten Offensivaufgebot angetreten, und manchen Spieler verließen schon bald nach dem Führungstor die Kräfte.

Trainer Volker Finke lobte später überschwänglich die „Leidenschaft“ seiner Elf. Torwart Richard Golz pflichtete bei und bekannte gewachsene Zuversicht im Abstiegskampf: „Wir leben noch.“ Sein eigener Anteil an dieser Belebung war groß. Oft war zwar der Freiburger Strafraum so überfüllt mit Spielern, dass für den Ball kein Durchkommen war. Aber wenn er es doch schaffte, dann gab es eben Golz. Der hatte mehr Ballkontakte als jeder seiner Mitspieler und reagierte mehrfach brillant, als Emerson und Ballack zu Leverkusens besten Chancen kamen.

Zum einzigen Tor brauchte Leverkusen eine Standardsituation: Emerson nutzte in der 52. Minute eine Ecke von Neuville. Die Wende brachte dieser Treffer nicht. Und hätte Kirsten zehn Minuten vor dem Ende nicht die allerbeste Chance vergeben, als er den Ball knapp am Tor vorbei köpfte, wäre es ein Feiertag für Bayer geworden. So aber schimpfte Kapitän Jens Nowotny: „Wir sind an unserer eigenen Dummheit zu Grunde gegangen.“

Die nüchternen Zahlen nähren den Wutausbruch: Bayer hatte drei Dutzend Mal aufs Tor gezielt, um es ein einziges Mal zu treffen. Nowotnys Kollege Stefan Beinlich legte weniger defätistischen Pathos in seine Betrachtungen zum Stand der Dinge. Er war zwar auch „etwas enttäuscht“, erkannte aber zugleich sachlich, dass im Gegensatz zum Maribor-Spiel dieser verschenkte Sieg nicht das Ende aller Träume bedeutet. Denn: „Nächste Woche geht es weiter.“ So gesehen ist an diesem Spieltag eigentlich gar nichts passiert. Lautern sei Dank.

Leverkusen: Matysek – Kovac, Nowotny, Ramelow (46. Schneider) – Ballack, Emerson (85. Zivkovic), Beinlich – Neuville, Kirsten, Rink (78. Brdaric), Ze RobertoFreiburg: Golz – Müller, Zeyer, Diarra – Kohl, Ramdane (71. Günes), Dreyer (87. Bornemann), Weißhaupt, Kobiaschwili – Bruns (85. Schumann), IaschwiliZuschauer: 22.500; Tore: 0:1 Kobiaschwili (3.), 1:1 Emerson (53.)