Schatten der Vernichtung

■ Der KZ-Überlebende Thomas Toivi Blatt spricht heute Abend im Kölibri über den Aufstand im Vernichtungslager Sobibor

Dass die Ermordeten dabei allein willfährige Opfer gewesen seien, ist ein noch heute weit verbreiteter Mythos über die Vernichtungspolitik der Nationalsozialisten. Er verleugnet nicht nur die Subjektivität der Opfer ein zweites Mal, sondern schreibt genauso antisemitische Stereotypen der Passivität fort. Und selbst die gezielte historische Auseinandersetzung mit der Geschichte des jüdischen Widerstands gegen den Holocaust, wie mit diesem selbst, hat Lücken, blinde Flecken, prominentere und unbekanntere Exponenten hinterlassen; oft, weil es den Täter gelang, ihre Spuren zu verwischen, Dokumente fehlen.

Zu den weniger bekannten Orten, an denen sich der Wille zum Leben gegen die Mörder wandte, gehört das KZ Solibor, das im Rahmen der „Aktion Reinhard“ von den Nationalsozialisten als reines Vernichtungslager errichtet worden war. Die nach Heydrich benannte „Aktion Reinhard“ war der Deckname für die Enteignung und Vernichtung der Juden im „Generalgouvernement für die besetzten polnischen Gebiete“, der über 2 Millionen Juden, also annährend die gesamte jüdische Bevölkerung, zum Opfer fielen. Über 250.000 von ihnen sind in den drei Gaskammern des KZ Solibor in der kurzen Zeit zwischen Frühjahr 1942 und 1943 ermordet worden.

In der Welle der auf den Warschauer Ghettoaufstand folgenden Erhebungen kam es am 14.10. 1943 auch in Sobibor zum Aufstand. Organisiert von einer Widerstandsorganisation innerhalb des Lagers mithilfe jüdisch-sowjetischer Kriegsgefangener, wurden dabei elf SS-Männer getötet, während rund 300 Häftlingen die Flucht gelang. Doch nur 47 Flüchtlinge erlebten das Ende des Krieges. Nach dem Aufstand ließ Himmler Sobibor – wie auch Treblinka und Belzec – auflösen, weil die „Kapazitäten“ in Auschwitz/Birkenau erhöht worden waren. Zu den überlebenden Aufständischen gehört Thomas „Toivi“ Blatt. Von Polen aus emigrierte er später über Israel in die USA. In seinem Buch From the Ashes of Sobibor schildert er seine Erfahrungen. Dessen jüngst erschienene deutsche Übersetzung Nur die Schatten bleiben – Der Aufstand im Vernichtungslager Sobibor stellt er heute Abend nun selbst vor. Tobias Nagl

heute, Kölibri, Hein-Köllisch-Platz 12, 19 Uhr

Thomas Toivi Blatt, Nur die Schatten bleiben – Der Aufstand im Vernichtungslager Sobibor, Aufbau Verlag, Berlin 2000, 344 Seiten, 39,90 Mark