ÖTV erwacht aus Sanierungsschlaf

■ Nach fünf Jahren startet die Gewerkschaft ÖTV plötzlich eine Anti-Kampagne gegen die Sanierungspolitik des Senats / Startschuss fiel gestern – Ende März sind Personalratswahlen

Die Gewerkschaft ÖTV schreckt auf aus ihrem Dornröschenschlaf – und macht plötzlich mobil gegen die Sanierungspolitik des Senats: Mit Plakaten und Aktionen wollen die Gewerkschafter künftig dagegen angehen – „weil es jetzt Zeit ist im Interesse der Bürger und Bürgerinnen und unserer Kollegen und Kolleginnen“, so die ÖTV-Kreisvorsitzende Gisela Hülsbergen. Dem „Abbau öffentlicher Leistungen“ versus millionenschwerer Großprojekte könne man nicht mehr tatenlos „zusehen“. „Intensiver und kritischer“ werde sich die ÖTV nun „mit dem Sanierungskurs“ auseinander setzen.

Vom Auftakt der Kampagne „zur kritischen Auseinandersetzung“ bekommt die breite Öffentlichkeit allerdings zunächst wenig mit: Erst mal will die ÖTV nur intern Plakate aufhängen – an den schwarzen Brettern der Betriebsgruppen. Das Motiv: Bremen als Puzzle, aus dem Teile herausbrechen. Der Leitspruch: „Ene meene muh und raus bist DU, ... nach diesen Regeln spielen wir nicht!“ – pünktlich aufgehängt zu den Personalratswahlen, „um darauf hinzuweisen, dass wir die Interessen der Beschäftigten wahrnehmen“, erklärt Hülsbergen.

Immerhin weht denen der Wind spürbar härter ins Gesicht, sagt die ÖTV – und somit auch den BürgerInnen als NutzerInnen öffentlicher Dienstleistungen: Denn jedes Jahr würden nun 800 Millionen Mark eingespart. Die Folgen davon seien „drastisch und gravierend“: Verschärfter Personalabbau im öffentlichen Dienst – und somit ein schleichender „Verfall öffentlicher Infrastruktur“, warnte unlängst sogar laut ÖTV Bremens Staatsrat Reinhard Hoffmann in seinem Vorschlag für eine neue Regionalkörperschaft Bremen-Unterweser.

Besonders „massiv“ drohten dabei „Einschnitte bei den Angeboten für Kinder und Jugendliche“, sagte gestern Anne Grunert, Personalrätin für die Kindertagesheime. Die „verlässliche Grundschule“ würde zwar eingeführt, dafür aber der verlässliche Kindergarten quasi wegfallen. Allein 62 Stellen würden dabei abgebaut. Aber auch im Jugendbereich führten Zuschusskürzungen von 25 Prozent zum Wegfall von Freizeitheimen und anderen Einrichtungen. Das Fazit der Personalrätin im Interesse des Gemeinwohls: „Soziale Netze reißen, wichtige Strukturen für Kinder und Jugendliche werden zerschlagen. Das können wir nicht zulassen.“

Aber auch die öffentliche Reinigung macht der ÖTV Sorgen – und steht deshalb neben „Soziale Dienste brauchen Zukunft“ auf Platz zwei der Plakatreihe mit dem Slogan „Zukunft für Eigenreinigung“: Derzeit bangen nämlich knapp 1.400 öffentliche Reinigungskräfte um ihre Zukunft, weil eine mögliche Privatisierung geplant ist. Die Tarifverträge mit der Stadt wurden zum Jahresende 1999 gekündigt, berichtet Karin Möller, zuständig für den Bereich „Reinigung“ im Gesamtpersonalrat. Im Mai sind neue Tarifverhandlungen geplant, „aber bis dahin wurden die Kollegen und Kolleginnen hingehalten, sie haben Angst“.

Und genau solche Privatisierungsängste begleiten die Kampag-ne im Ganzen, erklärt der Gesamtpersonalrats-Vorsitzende Edmund Mevissen: Der Unternehmensberater Roland Berger packt derzeit für den Senat die bislang schleppende Verwaltungsreform an. „Damit droht die gesamte Zerschlagung des öffentlichen Dienstes“, ängstigt sich Mevissen um die Zukunft der knapp 37.000 öffentlich Beschäftigten – und sieht weitere Privatisierungen mit schlechteren Arbeitsbedingungen etwa im Bau- oder Hafenmanagement voraus.

„Mit dem Konzern STADT Bremen in die politische Verantwortungslosigkeit“, heißt darum eine Diskussionsveranstaltung, die für die BürgerInnen zur Aufklärung geplant ist – mit weiteren Aktionen. Aber die kommen später – erst sind die Beschäftigten dran. kat