„Haltung zur PDS hat sich geändert“

Auch Sibyll Klotz, die mögliche Nachfolgerin von Renate Künast für den Grünen-Fraktionsvorsitz, will keine Abschottungspolitik mehr gegenüber der PDS. Bei den Grünen stünde nun Nachwuchsarbeit an

taz: Besteht die Grünen-Abgeordnetenhausfraktion bald nur noch aus unbekannten Gesichtern und einigen ergrauten Männern, die schon lange auf ihren Sitzen hocken?

Sibyll Klotz: (lacht) So sehe ich das nicht. Wichtig ist aber, dass die, die neu im Parlament sind – und das ist ein Drittel der Fraktion – sehen müssen, dass sie in die Vorstandsarbeit und in Führungspositionen hineinwachsen.

Aber im Ernst. Renate Künast hat gestern ihren Hut für den Posten der Grünen-Bundesvorstandssprecherin in den Ring geworfenn. Wenn sie gewählt wird, verlieren die Berliner Grünen innerhalb kurzer Zeit ihre zweite Spitzenfrau.

Auf der einen Seite ist das natürlich ein klarer Verlust. Aber es spricht ja auch für den Berliner Landesverband, dass wir so viele gute Frauen haben, die Posten auf Bundes- oder europäischer Ebene übernehmen können. Aber Renate Künast und Michaele Schreyer haben auch mal angefangen und sich dieses Profil und diesen Ruf erarbeitet. Jetzt müssen andere ran.

Sie werden häufig als potenzielle Nachfolgerin von Renate Künast genannt. Wollen Sie sie beerben?

Das werde ich erst nach der Bundesdelegiertenkonferenz am 24. Juni erklären und vorher nicht.

Sie waren bereits Fraktionsvorsitzende. Wären Sie die Richtige, um die Verjüngung von Fraktion und Partei voranzutreiben?

Es ist die Aufgabe der ganzen Fraktion, den Nachwuchs auf weitere Aufgaben vorzubereiten. Es steht ein Generationswechsel an, die Jungen müssen gefördert werden. Egal, wer Renates Nachfolger wird, muss diesen Job machen.

Was muss geschehen, damit die Grünen wieder in die Offensive kommen?

Wir befinden uns ja gerade in einer absoluten Regierungskrise. Der Rücktritt von Kultursenatorin Christa Thoben war für den Senat quasi ein Offenbarungseid. Wir müssen jetzt darauf drängen, dass nicht einfach weitergewurschtelt wird. Wir müssen deutlich machen, dass sich die Stadt nach neun Jahren großer Koalition am Rande des Bankrotts befindet. Die Undeutlichkeit im Haushalt, die ja auch Christa Thoben kritisiert hat, muss ein Ende haben, und bestimmte Projekte wie der Bau der U 5 müssen verhindert werden. Außerdem müssen wir klarmachen, wo die Defizite liegen: in der Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik.

Wenn es eine Alternative zur großen Koalition geben soll, geht das nur gemeinsam mit der PDS. Müssen die Grünen ihre Strategie ändern?

Wir haben eine Koalition mit der PDS ja nicht ausgeschlossen, sondern gesagt, dass wir uns vor jeder Wahl überlegen müssen, welcher Koalitionspartner in Frage kommt. Ich merke, dass sich das Klima in der Stadt, was die Politik der PDS angeht, verändert hat. Deshalb habe ich den Eindruck, dass die Entscheidung nicht unbedingt dieselbe sein müsste wie bei der letzten Wahl. Dabei ist natürlich erleichternd, dass jetzt auch aus der SPD Signale kommen, die Schluss machen wollen mit der Abschottungspolitik gegenüber der PDS.

Sie sind eine der wenigen bekannten OstberlinerInnen bei den Grünen. Würden Sie als Fraktionschefin einen Schwerpunkt auf den Ostteil der Stadt legen?

Noch mal: Ob ich überhaupt antrete, entscheide ich Ende Juni. Aber generell sind die Probleme, die Berlin hat, mittlerweile Gesamtberliner Probleme. Die hohe Zahl von Sozialhilfeempfängern zum Beispiel ist kein explizites Ost- oder Westberliner Problem, sondern ein bezirkliches.

Angesagt ist, sich viel stärker auf die bezirklichen Problemlagen zu beziehen, weil der Unterschied zwischen Zehlendorf und Kreuzberg mittlerweile doch genauso groß ist wie der zwischen Hellersdorf und Neukölln. Zu diesen Problemen gehören die soziale Sicherung, die Bildungspolitik und auch der Rechtsextremismus, der vom Senat zu sehr auf die leichte Schulter genommen wird.Interview: SABINE AM ORDE