herr hefele kriegt zwei minuten
: Alle verkaufen! Notfalls ablösefrei nach Neuguinea!

BORUSSIA, DIE HOLDE!

Nun geht es doch wieder über Fußball. Leider, möchte ich fast sagen, denn eigentlich wollte ich nichts mehr zu Fußball sagen, weil zu Fußball so unendlich viel gesagt wird. Auch und gerade in dieser Kolumnenserie. Aber: Man kommt nicht drum herum. Beziehungsweise, in diesem besonderen Falle komme ich nicht drum herum. Weil es nämlich um eine meiner sehr, sehr alten Lieben geht. Um den Fußball spielenden Tigerentenclub, die schwarz-gelben Hummeln, die mit den Ringelsocken. Borussia, die Holde!

Das Herz möchte einem brechen, wenn man sieht, was aus dieser meiner frühen, herben Geliebten geworden ist. Deren bloße Namensnennung mir in der Jugend kalte Schauer über den Rücken jagte. Borussia Dortmund. Und „Kampfbahn Rote Erde“. Obwohl der Spiegel, in dem ich meine ersten Pickel betrachtete, viel näher bei München oder Stuttgart stand, war ich immer schon den Kohlenpottlern verfallen. Genauer: Nach dem Finale von Glasgow war es um mich geschehen. Nie wieder hat mich das Endspiel einer Clubmannschaft derartig aufgewühlt und hypnotisiert. Die Dramaturgie, die Spieler. Die pfeilschnellen Stürmer im Nebel von Glasgow. Emmerich, Held, Libuda. Und – besser und wichtiger noch – ihre kantigen und braven Kollegen aus dem Defensivbereich. Hoppi Kurrat und „Stopper Paul“! Kann man Eigenname und Funktion in einem idealeren Kürzel komprimieren? Übrigens bin ich mir überhaupt nicht sicher, ob es in Glasgow nebelte. Vielleicht schien es mir nur so, bzw. ich wollte es so. Wegen der schon lange mir innewohnenden Vorliebe für schummrige Dramatik, vermutlich.

Darum passte auch das düstere Gegriesle auf unserem guten Schwarzweißen großartig zu meinem Bild von denen „da drunten“ (meine Mutter). „Genauso geht das bei denen zu, so sah es da aus“, dachte ich mir befriedigt. Ewiger Ruß in der Luft und die Sonne kaum zu sehen. Und alle Menschen mit rußigen Gesichtern ... Düster, wie gesagt, und sehr interessant. Jedenfalls nicht diese ewige frische Luft, wie es sie bei uns im Allgäu im Übermaß gab. Tja – so war das früher, in der guten Zeit. Und heute? Kohler, Reuter, Wörns, Stevic, Ricken, Dede, Bobic. Das sind alles mehr oder weniger prominente und „schicke“ Namen. Leider keine Persönlichkeiten. Typen schon gar nicht. Jens Lehmann? Dass ich nicht lache, obwohl er sich mit Sicherheit für unendlich originell hält. Jens Lehmann ist nichts als ein Trojanisches Pferd, das die Schalker der Borussia vor die Tür gestellt haben. Und Michael Meier und Herr Niebaum hatten nichts Besseres zu tun, als sich den hohlen Gaul händereibend ins Wohnzimmer zu holen. Wo schon Andreas Möller auf dem Sofa saß und schmollte.

Überhaupt Andi. Typen wie der haben aus meiner Borussia das gemacht, was sie heute in all ihrer Jämmerlichkeit darstellt. Vom Weltpokalsieger zum Absteiger! Andi Möller, dieser meine Zeit stehlende Waschlappen. Wie sie dem in Dortmund schon seit Jahren den Hof machen ... zum Kotzen. Ich weiß, dass Andi Möller kicken kann! Wenn er Lust hat! Wenn die Außentemperatur nicht unter 15 Grad Celsius und die Wiese nicht zu matschig ist. Wenn das Trikot schön flauscht und ihn alle Mannschaftskameraden vor Spielbeginn freudig auf die Schulter geklopft haben. Natürlich sind das Klischees – aber auch Klischees fallen nicht vom Himmel! Erinnern Sie sich noch an das Bild vom Elfmeterschießen gegen England während der letzten EM? Andi Möller, nachdem er seinen Elfer versenkt hatte, mit geschwellter Brust und in die Hüften gestemmten Fäusten sich vor der Tribüne aufbauend. Sich genauso präsentierend, wie er ist: ein eitler, trotziger, verzogener Rotzlöffel. So einer funktioniert und pariert nur, wenn er Leute wie Hitzfeld und Sammer oder Stopper Paul über und neben sich hat, die ihm zeigen, wo der Hammer hängt. Sonst macht er „das Michele“ (mein Vater) mit einem.

Borussia hör auf mich! Verkaufen! Alle verkaufen! Notfalls ohne Ablöse nach Neuguinea – nur weg damit! Notfalls zu mir in die Arschlochmannschaft.

ALBERT HEFELE

Autorenhinweis:

Albert Hefele, 48, ist Ergotherapeut und referiert allwissend über die Dinge des Lebens, heute: Liebe und – natürlich doch wieder – Fußball.