Endrunde im Streit um Elián

Fidel Castro fürchtet, die Miami-Kubaner würden den Flüchtlingsjungen „eher umbringen“ als zurückschicken. Die US-Justiz will den Fall beenden

BERLIN taz ■ Der Streit um den kubanischen Flüchtlingsjungen Elián González geht in eine entscheidende Phase. In der vergangenen Woche hatte ein Gericht den Antrag auf politisches Asyl für den Sechsjährigen abgelehnt. Derzeit lebt er bei Verwandten in Miami, seit er am 25. November vergangenen Jahres, an den Schlauch eines Autoreifens geklammert, aus dem Meer geborgen wurde. Seine Mutter und zehn weitere KubanerInnen waren bei ihrem Versuch, auf einem untauglichen Gefährt von Kuba in die USA zu fliehen, ertrunken. Seitdem kämpfen seine Verwandten in Miami, die zum harten Kreis der Anti-Castro-Aktivisten im Exil zählen, für den Verbleib des Jungen in den USA, während Eliáns Vater von Kuba aus seine Rückkehr fordert.

Ende vergangener Woche nun stellte die US-Justiz den Verwandten ein Ultimatum: Sie sollten bis zum gestrigen Montag erklären, ob sie gegen den Asylbescheid Berufung einlegen – unter der Maßgabe eines verkürzten Berufungsverfahrens. Andernfalls werde Elián diesen Donnerstag nach Kuba zurückgeschickt.

Dort demonstrierten am vergangenen Samstag wieder einmal rund 50.000 Menschen für Eliáns Rückkehr. Von beiden Seiten ist der Fall Elián seit Monaten politisch benutzt worden. Bei einer fünfstündigen Rede vor rund 700 StudentInnen der Universität in Havanna in der Nacht vom Samstag auf Sonntag sagte Staatschef Fidel Castro, er fürchte, die Exilkubaner könnten Elián eher umbringen oder in ein Drittland entführen, als ihn nach Kuba zurückzuschicken.

Havanna hat die Umstände, unter denen Elián nach Miami gelangte, stets als „Kidnapping“ bezeichnet. Fotos eines glücklichen Elián in Disneyland mit Baseballkappe und Hamburger dienten als klare Beweise für die „Gehirnwäsche“, der das Kind in den Klauen des Imperialismus unterzogen werde.

Öl ins Feuer dürfte auch die Ausstrahlung eines Interviews gießen, dass die US-Fernsehstation ABC in der vergangenen Woche mit Elián führte. „Quellen“ hätten ihm mitgeteilt, sagte Castro unter Vorwegnahme aller Unbill, dass der Junge in dem Interview gegen seinen Vater sprechen werde. „Abscheulich und ekelerregend“ sei es, ein Kind solch einer Prozedur auszusetzen. Und dann stellte Kubas Maximo Lider der StudentInnenschaft Briefe aus der Bevölkerung vor. Man sollte, habe ihm ein Mann geschrieben, „Elián mittels einer bewaffneten Aktion aus der gusanera retten. Es gibt hier Männer, die so etwas durchführen können“, zitierte Castro. Gusano, Wurm, ist das alte Schimpfwort des Regimes für alle, die die Insel verlassen haben.

Die überzogene Propaganda des kubanischen Regimes macht es der US-Justiz nicht leichter. Die, allen voran Justizministerin Janet Reno, will das Verfahren, das seit vier Monaten die Beziehungen beider Staaten zum Zerreißen gespannt hat, nun offenbar schnell zu Ende bringen. Schlussendlich, das weiß jeder, gibt es keine stichhaltigen Argumente, den Jungen nicht zu seinem Vater zurückzuschicken. Dass Castro die Rückkehr Eliáns als großen Triumph feiern wird, passt freilich im US-Wahljahr nicht so richtig gut. BERND PICKERT