Weiter Verwirrspiel

Siemens besteht auf Hermes-Anträgen, die nicht bewilligt werden sollen. Wirtschaftsminister Müller sieht kaum Reformbedarf bei Bürgschaften

BERLIN taz ■ Das Verwirrspiel bei den Hermes-Bürgschaften geht weiter. Über die Bewilligung eines vierten Antrages zur Errichtung einer Schmelzanlage für Atommüll in Tschernobyl (taz von gestern) war bisher nicht informiert worden, weil das Projekt noch nicht im Interministeriellen Ausschuss (IMA) vorgelegen habe, hieß es gestern vom Sprecher des Auswärtigen Amtes, Andreas Michaelis. Das Projekt sei aber Bestandteil einer „politischen Grundsatzeinigung“.

Die Liste der vom Staat garantierten Bürgschaften für Exporte, über die es eine Verständigung gegeben hat, umfasst 17 Projekte, davon 14 AKWs und drei Staudämme. Vier der Anträge für AKWs sind nun bewilligt. Die 10 weiteren werden laut Auswärtigem Amt negativ entschieden.

Siemens zeigte sich gestern von der Ankündigung unbeeindruckt. Siemens-Sprecher Andreas Büdel bestätigte der taz, dass die Firma weiterhin die gestellten Anträge für das bulgarische Kernkraftwerk Kosloduj und das chinesische AKW Ling Ao aufrechterhält. Darüber hinaus hat Siemens für den Bau der Nachfolgereaktoren Khmelnitzky und Rowno 4 (K2/R4) für den Tschernobyl-Reaktor in diesem Jahr einen Antrag auf Bürgschaften gestellt. Auch dieser Antrag soll angeblich nicht bewilligt werden.

Im Wirtschaftsausschuss des Bundestages sieht die SPD-Fraktion keinen Widerspruch zwischen den bewilligten Anträgen und dem Atomausstieg. Klar sei, dass es keine Hermes-Bürgschaften für den Neubau von Kraftwerken geben werde, sagte der für die Bürgschaften zuständige Sprecher der SPD, Rolf Hempelmann, gegenüber der taz. Im Falle des chinesischen Kraftwerkes Lianyungang handele es sich um ein Kraftwerk, das zu 80 Prozent fertig gebaut sei, und damit nicht um einen Neubau.

Wirtschaftsminister Werner Müller (parteilos) hat bei einer Sitzung des Wirtschaftsausschusses am vergangenen Mittwoch klargestellt, dass es keine grundsätzliche Reform der Hermes-Bürgschaften geben werde. 1997 hatte die SPD einen ausführlichen Reformantrag gestellt, bei dem auch gefordert wurde, dass keine Bürgschaften erteilt werden für „Güter für Atomkraftwerke, soweit sie nicht der Nachrüstung auf den neuesten technologischen Stand dienen“.

MAIKE RADEMAKER