Bunter und größer

Premierminister Lionel Jospin hat Frankreichs Regierung umgebildet – und bindet dabei geschickt die verschiedenen Flügel der Koalition ein

PARIS taz ■ Jospin I. hat gelebt. Seit gestern wird Frankreich noch grüner, noch roter und noch rosafarbiger regiert als in den 33 Monaten vorher. Regierungschef Lionel Jospin hat vier sozialistische Minister entlassen und acht neue Mitglieder in seine Regierung geholt. Darunter neben Vertretern sämtlicher Flügel der französischen Linken auch zwei Schwergewichte und potenzielle Rivalen aus der Sozialistischen Partei, die in den vergangenen Jahren ein Schattendasein fristen mussten: Der Ex-Premierminister und rechte Sozialdemokrat Laurent Fabius wird Wirtschafts- und Finanzminister und damit Nummer zwei der Regierung. Ex-Kulturminister Jack Lang, eine der schillerndsten Figuren auf der französischen Polit-Bühne, wird Erziehungsminister und steigt damit aus dem Rennen um das Rathaus von Paris aus.

Jospin II. also. Die neue Equipe soll bis zum Beginn der Präsidentschaftswahlen halten. Zwei Jahre. Dann soll sie Jospin in den Elysée-Palast befördern.

Die Regierungsumbildung in Paris war nötig geworden, weil immer selbstbewusster gewordene soziale Bewegungen auf der Straße die Köpfe mehrerer Minister verlangten. Die Steuerbeamten hatten gegen Personaleinsparungen gestreikt, die Lehrer gegen die Reformabsichten ihres Ministers, und der Minister für den öffentlichen Dienst, Zuccarelli, hatte es nicht geschafft, den Beamten die Einführung der 35-Stunden-Woche schmackhaft zu machen. Er wird jetzt von dem Sozialdemokraten Michel Sapine abgelöst. Bloß Kulturministerin Trautmann scheiterte weniger an sozialen Protesten als an atmosphärischen Inkompatibilitäten. Ihren Posten wird nun die theatererfahrene Sozialistin Catherine Tasca übernehmen.

Eine politische Zäsur hat Jospin mit der Regierungsumbildung nicht vor. Ausdrücklich setzt er auf Stabilität und Kontinuität. Beides versucht er in einem großen Spagat. Die Ernennung von Finanz- und Wirtschaftsminister Fabius ist ein Signal an die französischen Mittelschichten. In den vergangenen Monaten hatte er mehrfach Einkommenssteuersenkungen, flexible Rentenregelungen und eine Reform des Staatsapparates verlangt. Zugleich soll der als Staatssekretär (für die Berufsbildung) in die Regierung geholte Jean-Luc Mélenchon für Unterstützung auf dem linken PS-Flügel sorgen. Auch die beiden Minderheitspartner der Regierung wurden bedient. Die Grünen, die dies seit ihrem guten Abschneiden bei den Europawahlen verlangt hatten, bekommen einen zweiten Regierungsposten (Guy Hascoët) und die Kommunisten einen vierten (Michel Duffour). Jospin II. ist nicht nur bunter, sondern auch größer. Statt mit bislang 28 funktioniert die neue Regierung mit 32 Ministern und Staatssekretären. Auch das ein Signal: Angesichts des Wirtschaftswachstums muss die Regierung nicht geizen.

DOROTHEA HAHN