Kulturabteilung quetscht die Szene aus

■ In einer neuen Senatsvorlage hat die Behörde das Defizit im Kulturetat auf acht Millionen Mark heruntergerechnet. Die Kultureinrichtungen sollen durch enorme Einnahme-Erhöhungen dazu beitragen. Die Gesellschaft für aktuelle Kunst hat dabei keine Chance. Sie soll ganz abgewickelt werden. Andere dürfen sich fortan um Projekttöpfe balgen

Wird das Schnürschuh-Theater zugemacht oder der Kulturbahnhof in Vegesack? Oder stellt der Senator für Inneres, Kultur und Sport die Förderung für das Kulturzentrum Lagerhaus demnächst ein? Diese Fragen kursieren zurzeit in der Bremer Kulturszene. Verantwortlich dafür sind Spekulationen über eine Senatsvorlage, die das Kulturressort der Landesregierung voraussichtlich am 11. April präsentieren will. Wie aus dem der taz vorliegenden Dokument hervorgeht, sind die Existenzsorgen bei den meisten dieser Einrichtungen – bis auf weiteres – unbegründet. Dafür strotzt der Entwurf für diese Vorlage unter dem Titel „Planungssicherheit für Kultur 2000-2005“ von haarsträubenden Rechenfehlern und sachlichen Fehleinschätzungen, die in dieser Ballung selten sind.

Die Kulturverwaltung und die an der Erarbeitung der Vorlage beteiligte Controlling-Gesellschaft kmb gehen inzwischen davon aus, dass der Kulturetat in diesem Jahr um acht Millionen Mark zu niedrig ist. Dieses Defizit steigt Jahr für Jahr auf etwa elf Millionen Mark im Jahr 2005 an. Dies geht aus einer ersten Zahlenreihe hervor, in der die vom Senat beschlossene mittelfristige Finanzplanung mit dem Bedarf im Kulturbereich verglichen wird. In einer anderen Zahlenreihe steigt das Defizit auf fast 18 Millionen Mark. Doch diese und weitere nicht nachvollziehbare Relationen und Additionen wirken nur wie Flüchtigskeitsfehler im Vergleich zur Strategie, mit der die Autoren der Vorlage „Planungssicherheit für die Kultureinrichtungen und Kulturschaffenden Bremens“ – allerdings nicht für alle – herstellen wollen.

Unter der Rubrik „Zuschusssenkende Mehreinnahmen“ errechnen sie für alle Einrichtungen mal eben so Einnahmesteigerungen von drei Prozent pro Jahr oder 20 Prozent bis zum Jahr 2005. Darüber noch hinausgehende Mehreinnahmen dürfen die Einrichtungen demnach zur Hälfte behalten. Mit der anderen Hälfte sollen sie Tarifsteigerungen bezahlen.

Mit den Worten „Quatsch“ und „Blödsinn“ kommentieren mehrere SprecherInnen von Kultureinrichtungen diese Zahlen. Die Bremer Shakespeare Company erwirtschaftet durch Gastspiele und Eintrittseinnahmen knapp 1,4 Millionen Mark. 20 Prozent wären demnach fast 300.000 Mark mehr – oder weitere 40 ausverkaufte Vorstellungen pro Jahr. „Doch wir können aus dem Ensemble nicht noch mehr herausquetschen“, sagt Company-Sprecher Peter Lüchinger. Ähnlich sieht es Jens Walter, der Verwaltungschef des Bremer Theaters, das rund 5,4 Millionen Mark pro Jahr direkt durch den Kartenverkauf oder Vermietungen einspielt. Eine Erhöhung der Eintrittspreise ist zwar in vielen Einrichtungen kein Tabu. Auch konnte das Bremer Theater seine Abo- und BesucherInnenzahlen in der laufenden Saison erneut leicht erhöhen. Aber bei 20 Prozent mehr schüttelt Walter bloß den Kopf: „Bei mehr Vorstellungen steigen zugleich auch die Kosten.“

Vielleicht geht's ja mit Fundraising und Sponsoring? Die Autoren der Senatsvorlage halten dies für einen heißen Tipp. Allerdings können sie den Erfolg der Maßnahme noch nicht beziffern. Anders sieht's aus mit der im Papier so genannten „Tarif-Solidarität“. Was beim Bündnis für Arbeit in Bremen nicht gelang, soll in der Kultur gelingen: Sie schlagen den schnellst möglichen Abschluss von Haustarifen, die Flexibilisierung von Arbeitszeitregelungen und die Umstellung von Verträgen nach dem Bundesangestellten-Tarif (BAT) auf Honorarverträge zum Beispiel bei der Musikschule und der Volkshochschule vor, ohne zu benennen, wie viel „Kostendämpfung, Optimierung sowie Kürzungen“ dadurch zu erreichen sind.

Konkreter wird es an anderer Stelle der Vorlage. Demnach soll das Bremer Theater die Spielstätte Concordia zum schnellst möglichen Zeitpunkt kündigen. Doch daraus wird wohl nichts. Denn gerade erst wurde der Vertrag mit Zustimmung des Aufsichtsrats und seines Vorsitzenden, Kultursenator Bernt Schulte (CDU), um weitere fünf Jahre verlängert.

Aber die Vorlage geht noch weiter: Gleich mehrere Einrichtungen sollen aus der institutionellen Förderung gestrichen und, so ist angestrebt, aus anderen Töpfen unterstützt werden. Das gilt für das Junge und das Schnürschuh-Theater sowie den Kulturbahnhof Vegesack. Die Konzertagentur „dacapo“ soll fortan, so ist es ebenfalls angestrebt, nur noch bei einzelnen Angeboten gefördert werden.

Nur für eine Einrichtung hat die Spitze der Bremer Kulturabteilung künftig gar kein Geld mehr: die Gesellschaft für aktuelle Kunst (GAK).

Christoph Köster

Heute, Mittwoch, lädt die Kulturinitiative „Anstoß“ um 18 Uhr in die obere Halle des Bremer Rathauses zu Vorträgen und Diskussion. Es referieren Peter Conradi, Präsident der Bundesarchitektenkammer, und Bernd Hockemeyer, Präses der Bremer Handelskammer, über „Kultur und die Zukunft unserer Stadt“.