Hollerland: Zwist and shout

■ Podiumsgespräch übers Hollerland: Experten diskutierten über die Zukunft zwischen Technologiepark und Naturschutzgebiet

Montagabend war noch nichts entschieden: Das Hollerland konnte noch einmal in allen Varianten durchdiskutiert werden – ob dort nun Naturschutzgebiet, Technologiepark oder Online-City entstehen sollten oder könnten. Eingeladen dazu hatte der Bundesverband Junger Unternehmer (BJU) in Bremen, der das „heiße Thema“ Hollerland aufs Podium packte.

Sechs Experten sollten erstmal untereinander ihre Thesen vorstellen und anschließend am runden Tisch mit den jungen Unternehmern diskutieren. Rechtsanwälte saßen zum Beispiel da, deren Klienten aus Lilienthal sich eine Autobahn durch das Hollerland wünschen. Andere wollten sich nur mal über den Knackpunkt Hollerland informieren.

Doch so gegensätzlich die Ansichten der Experten sein konnten – gestritten wurde auf dem Podium herzlich wenig: Zwei Staatsräte, Sybille Winter (Wirtschaft) sowie Fritz Logemann (Bau und Umwelt), waren im Grunde beide für den Technologiepark. Strittig war allein die Größe: Für das SPD-geführte Umweltressort sollte die Erweiterung nur nach Süden gehen. Sybille Winter ist das viel zu klein. Die CDU-Staatsrätin fordert die Ausdehnung ins Hollerland. Jens Schröder, Chef der Handelskammer, hätte am liebsten beides: das Hollerland und die Südfläche. Beschlossen hat der Koalitionsausschuss gestern die erste Variante: Stadtanbindung in Richtung Süden auf dem Kleingartengebiet.

Für eine Scheindebatte hält Martin Rhode vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) dagegen den Konflikt zwischen Naturschutz und Wirtschaft, „denn die Naturschutz-Fakten liegen auf dem Tisch“. Das Geringe sei vielmehr ein „schwarzes Peter Spiel auf politischer Ebene“. Immer neue Gutachten würden in Auftrag gegeben, die immer wieder den Naturschutzwert bestätigten. Trotzdem werde das Hollerland einfach nicht nach der Flora-Fauna-Habit-Richtline (FFH) der EU gemeldet. „Das ist eigentlich ein Fall für den Rechnungshof“, so Rhode.

Doch es blieb nicht nur bei Umwelt-Aspekten: Viel heftiger diskutiert wurde der Technologiepark und die Stadtentwicklung. Wirtschaftspolitisch müsse Bremen auf den Technologiepark setzten, meint Jens Schröder. Denn dieser Standort sei ein Imagefaktor. Klaus Wolschner, Redakteur der taz bremen, dagegen hielt die Behauptung, der Technologiepark könne sich nur über die Autobahn ins Hollerland hinein entwickeln, für eine Lüge. Es gäbe andere Flächen: Ganz innenstadtnah – zum Beispiel um den Europahafen herum.

Nachfragen gab es vor allem zu dem erhofften „Supereffekt“ des Technologieparks für Bremen: Arbeitsplätze? Einwohner? Beim jetzigen Technologiepark seien die meisten Unternehmen nur in Bremens umgezogen. Auch steuerlich würde Bremen nicht unbedingt von einem Standort hinter der Autobahn profitieren, meint Wolschner: „Diese Stadtplanungspolitik zieht die Leute an die Stadtränder: Lilienthal wird sich bedanken.“

Auch um die Frage, ob ein Technologiepark jenseits der Autobahn jemals urbane Qualitäten entwicklen könnte, ging es. „Mit Schlafstädten können wir nichts gewinnen“, meint auch der Geschäftsführer der Handelskammer. Vorsorglich hat die Handelskammer schon Stadtplaner beauftragt, wie der Technologiepark aussehen könnte.

Nach knapp zwei Stunden hatte kaum jemand seine Meinung geändert: Nur mit Schubladen-Denken komme man nicht weiter, hier sei Pragmatismus jenseits der Parteigrenzen gefordert, sagte Schröder. „Das Problem ist das fixierte Gucken auf die Landesgrenze“, meinte ein Unternehmer. Im Grunde helfe nur Abwarten, so Rhode vom BUND: „In zehn Jahren wird alles wieder ganz anders sein.“ pipe