Senat: Wir wollen alles, um jeden Preis

■ Hollerland wird nicht bebaut, aber auch nicht als FFH-Gebiet angemeldet / Teure Koalitionskompromisse: Die SPD bekam ihr Rhodarium und die CDU ihre Rennbahn-Erneuerung

Rechtzeitig vor den Osterferien wollte Bremens Regierungschef Henning Scherf (SPD) ein paar Konfliktpunkte der Koalition vom Tisch haben: Die Autobahn A 281 durch die Neustadt wird teurer, das Bremerhavener Containerterminal CT IV soll gebaut werden, die Messehalle 7 auch, das Rhodarium und die „neue“ Rennbahn sollen kommen, die Technologiepark-Erweiterung nach Süden und die Fortsetzung des Baus der Straßenbahn-Linie 4 auch. Nur das Turnfest 2006 will Bremen nicht mehr, und für den Kirchentag 2007 wird sich die Hansestadt auch nicht bewerben.

Bei den Naturschutz-Anmeldungen nach der „Flora-Fauna “-Richtlinie (FFH) der EU will der Bremer Senat dagegen sparsam sein: Lediglich ein Viertel des Blocklandes und fast das ganze Werderland werden an die EU gemeldet, alle anderen von der Umwelt-Senatorin bezeichneten Gebiete nicht..

Der Senat hatte in den letzten Monaten in einigen Streitpunkten keine Einigkeit erzielt, so dass als Schlichtungsgremium der Koali-tionsausschuss bemüht werden musste – erst zum vierten Mal in fünf Jahren großer Koalition, wie Bürgermeister Henning Scherf nicht ohne Stolz herausstellte. Untersützt von ihren Fraktions- und Parteichefs fanden die beiden Bürgermeister schließlich Kompromisse. Unstrittig war dabei der Bau des CT IV in Weddewarden bei Bremerhaven. Dafür stellt der Senat zunächst Planungsmittel in Höhe von 30 Millionen Mark zur Verfügung. Die zwei Anlege-Plätze zum Gesamtpreis von einer halben Milliarde Mark sollen 850 neue Arbeitsplätze schaffen, steht in dem Kompromiss-Papier. Nach Angaben der BLG kommen derzeit durchschnittlich 300 Beschäftigte auf zwei Container-Kajen.

Etwas billiger als die Hafenerweiterung wird die neue Bundesautobahn A 281, die eine weitere Lücke im Autobahnring um Bremen schließen soll. Das Bauwerk soll über dem bisherigen Großmarkt auf Stelzen errichtet werden, so dass die Verkehre für das Gewerbegebiet Airport-City darunter hindurchkommen. Durch diese aufwendige Konstruktion steigt Bremens Baukostenanteil von 105 auf 140 Millionen Mark.

Ebenfalls einvernehmlich beschlossen die Koalitionäre die Erweiterung des Messe-Zentrums um eine Mehrzweckhalle (Messehalle 7) auf der Bürgerweide. Aus dem Haushalt werden für den Bau gut 20 Millionen Mark bereitgestellt.

Die SPD setzte sich mit dem Weiterbau der Straßenbahnlinie 4 bis nach Borgfeld durch. Der CDU wurde die Zustimmung allerdings mit flankierenden Maßnahmen versüßt, die einen reibungslosen Autoverkehr garantieren sollen: Verbreiterte Fahrbahnen, autofreundlichere Ampelschaltungen und vierspuriger Ausbau des bestehenden Autobahnzubringers durch das Hollerland.

Der Bau einer Entlastungsstraße durch das Naturschutzgebiet ist dagegen zunächst vom Tisch. Die SPD verzichtet im Gegenzug darauf, das Hollerland unter FFH-Schutz zu stellen, damit bleibt das Thema offen für zukünftige Konflikte. Der Senat stellt dazu allerdings fest, dass das Areal bereits nach geltendem Recht unter einem FFH-ebenbürtigen Schutz durch Vogel- und Naturschutz steht.

Dennoch drückte sich die Koalition erneut um eine Entscheidung über das CDU-Projekt einer Technologiepark-Norderweiterung („Online City“) im Hollerland: Ein Gutachten soll Aufschluss darüber geben, welcher Standort für den geplanten „Technologiestadtteil“ am besten geeignet wäre – unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten und unabhängig von den Erfordernissen des Naturschutzes.

Unterdessen werden in der anderen Richtung bereits Fakten geschaffen: Die Technologiepark-Erweiterung in südlicher Richtung wurde vom Senat beschlossen. Dort müssen Kleingärten weichen.

Schließlich gab es für jede der beiden Koalitionsfraktionen noch ein Bonbon: Die CDU bekommt die Modernisierung der Rennbahn, die SPD das Rhodarium. Beide Projekte sollen aber weiter abgespeckt werden. Für CDU-Fraktionschef Jens Eckhoff wäre es ein „Erfolg“, wenn die Rennbahn nur rund 20 statt 22,8 Millionen Mark aus öffentlichen Mitteln verschlänge und das Rhodarium für 50 statt 56 Millionen Mark zu haben wäre.

Die grüne Opposition kritisiert die Regierungsbeschlüsse scharf: „CDU und SPD waren offensichtlich im Kaufrausch, wer die Zeche zahlen muss ist klar – künftige Generationen,“ schimpft die Fraktionssprecherin Karoline Linnert. Die Handelskammer dagegen begrüßte das von der Koalition geschnürte Paket. not