Wer früher geht, zahlt drauf

Die Rente mit 60 ist tot – aber die Altersteilzeit lebt. Für die Metall-Beschäftigten ist nur eines wichtig: Wer will, kann mit 60 aufs Altenteil gehen

von BARBARA DRIBBUSCH

Die Beschäftigten in der Metallindustrie dürfen künftig mit dem 60. Lebensjahr aus dem Betrieb ausscheiden, müssen aber später Rentenabschläge in Kauf nehmen. Das sieht der neue Tarifabschluss in der Metall- und Elektroindustrie vor, auf den sich gestern in Nordrhein-Westfalen die Tarifparteien einigten. Die ursprüngliche Idee von IG-Metall-Chef Klaus Zwickel, allen 60-Jährigen bei vollem Rentenausgleich den Ausstieg aus dem Berufsleben zu ermöglichen, die unter dem Titel „Rente mit 60“ diskutiert wurde, ist damit vom Tisch.

Dennoch waren gestern alle zufrieden. Der Abschluss, der auch von anderen Tarifbezirken übernommen werden soll, sei „ein gutes Ergebnis“, meinte Zwickel. Bundeskanzler Schröder wertete das Ergebnis als Unterstützung für die „beschäftigungsorientierte Politik“ der Bundesregierung. Auch Arbeitgeber-Chef Dieter Hundt, Arbeitsminister Walter Riester (SPD) und der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) begrüßten die Einigung.

In der Praxis ist der neue „Tarifabschluss zur Beschäftigungsbrücke“ nichts anderes als eine erweiterte Altersteilzeitregelung und eine neue Abfindungsvereinbarung. Die Arbeitnehmer können nun mit 57 Jahren in die Altersteilzeit wechseln und dann spätestens mit 63 in Rente gehen. Da die Altersteilzeit „verblockt“ wird, ackern die Beschäftigten nur bis zum 60. Lebensjahr im Betrieb und haben dann drei Jahre lang frei. Während der sechs Jahre Altersteilzeit erhalten sie 82 Prozent vom Nettolohn.

Schon im Vorfeld der Verhandlungen hatte die IG Metall nicht mehr von einer „Rente mit 60“, sondern nur noch von einem „Ausstieg mit 60“ gesprochen. „Wir haben pragmatische Verhandlungen geführt“, sagte Neumann von der IG Metall Nordrhein-Westfalen, „und das mit Erfolg.“ Ute Neumann, Sprecherin der IG Metall in Nordrhein-Westfalen, betonte gestern: „Wir haben den Ausstieg mit 60, und darauf kam es an.“

Wenn die Beschäftigten mit 63 Jahren oder früher in Rente gehen, müssen sie allerdings gesetzliche Rentenabschläge hinnehmen. Diese sollen laut dem neuen Tarifvertrag durch eine Abfindung in Höhe von bis zu 21.600 Mark ausgeglichen werden. Wie Gesamtmetall-Sprecher Martin Leutz sagte, könnten die Rentenabschläge eines 63-Jährigen so bis zu 60 Prozent kompensiert werden.

Schon heute gelten in der Metallindustrie Altersteilzeitregelungen, die aber einen frühen Ausstieg nur erlauben, wenn der Arbeitgeber zustimmt. Nach den freiwilligen Vereinbarungen können die Beschäftigten beispielsweise schon mit 55 in Altersteilzeit wechseln, dann mit 57,5 den Betrieb verlassen und mit 60 in Rente gehen. Wie dann aber die Rentenabschläge kompensiert werden, war immer Sache der betrieblichen Vereinbarung.

Nach dem neuen Tarifvertrag besteht für die mindestens 57-Jährigen jetzt ein Anspruch auf Altersteilzeit und auf eine Abfindung bei vorzeitigem Rentenbeginn. Dabei können auch 58-Jährige eine vierjährige oder 59-Jährige eine zweijährige Altersteilzeit wählen. „Der Anspruch macht den Unterschied“, betont Leutz. Besonders die 57- bis 59-Jährigen, die in kleineren Betrieben malochen, können dadurch mit 60 gehen. Allerdings sieht der Tarifvertrag hier kleine Einschränkungen vor: So darf sich der Arbeitgeber im Zweifelsfall auf eine Überlastquote berufen, nach der nicht mehr als vier Prozent aller Beschäftigten in Altersteilzeit wechseln dürfen. Bei Arbeitnehmern in Schlüsselqualifikationen, etwa Meister oder Schichtleiter, kann der Arbeitgeber den Beginn der Altersteilzeit noch etwas verschieben. In der Metallindustrie sind 355.000 Beschäftigte 55 Jahre und älter. Dies ist ein Anteil von ca. zehn Prozent.

Mit der neuen erweiterten Altersteilzeit hat sich die frühere Forderung Zwickels, allen Beschäftigten den Renteneintritt mit 60 zu gewähren, von alleine erledigt. Zwickel hatte zudem einen betriebsübergreifenden Tariffonds gefordert, aus dem die Rentenabschläge kompensiert werden sollten. Damit konnte sich Zwickel nicht durchsetzen. Die tariflich vereinbarten Abfindungen werden nun ausschließlich von den Betrieben finanziert. Leisten können sie es sich, schließlich profitieren sie von den moderaten Lohnabschlüssen: 5,1 Prozent über zwei Jahre.