Die Vorschau
: Werfen mit Meilensteinen

■ Die Zeitschrift „Rolling Stone“ behauptet den Nachwuchs zu pfle-gen, lädt aber zum Glück in den Pier 2 mit achtbaren shooting stars

Der Rolling Stone ist eine Institution. Zumindest sein US-amerikanisches Original ist seit den Sechzigerjahren eines der renommiertesten Magazine für Popkultur. Und mit dem zweiten Anlauf klappte es auch auf dem zweitgrößten Pop-Markt in deutscher Sprache. Allerdings fehlt hierzulande ohnehin die lange Tradition des Rolling Stone und eben der Pop-Schreiberei als integraler Bestandteil von Popkultur. Deswegen hat der deutsche Rolling Stone auch den nicht immer gerechtfertigten Ruf, etwas altbacksch zu sein, weil er sich kaum vom Gerede über ravende Generationen und die Tode der Gitarre beeindru-cken lässt.

Die Rolling Stone Roadshow scheint auch mit Blick auf diesen Ruf konzipiert zu sein. Jedenfalls ließe sich mit Gomez, Lightning Seeds und Andreas Johnson zumindest eher zeigen, dass es auch in Zeiten wie diesen noch Gitarrenmusik gibt, die nicht wie bei Vattern klingt, als dass das Programm dafür taugt, „nicht-kommerzielle Künstler“ auf die Bühne zu bringen, wie irgendwo zu lesen war.

So sind die Lightning Seeds seit 1996 jedem Fußball-Fan ein Begriff. „Football's Coming Home“ sangen sie zur seinerzeitigen EM. Und mittlerweile gibt es von der seit zehn Jahren exis-tierenden Band sogar ein „Greatest Hits“-Album. „Nicht-kommerziell“ ging doch irgendwie anders, oder? Und Gomez haben mittlerweile so viel Platten verkauft, dass sie sich ein Platinalbum an die Wand hängen dürfen. Das bedeutet zwar, je nach Herkunft dieser Platinscheibe, nicht die Welt, aber das heißt auch, dass Gomez wirklich keine Unbekannten mehr sind.

Einzig Andreas Johnson wartet noch auf den Erfolg, was erstens unsereins ziemlich schnurz ist, andererseits aber wohl noch kommen kann. Zumindest geht davon die große Schallplattenfirma aus, bei der der junge Schwede unter Vertrag ist. Sein zweites Solo-Album heißt „Liebling“. Hymnischer Pop, ein Himmel voll schluchzender Geigen, ein Stimme wie Bono Vox. „Ich habe nur versucht, ein Album aufzunehmen, wie ich sie geliebt habe, als ich aufwuchs“, sprach der Künstler, um zu ergänzen: „Dabei wollte ich die Songs allerdings in einen zeitgemäßen Kontext einbinden.“ So was kommt, naturgemäß, nicht aus der Mode. „Zeitgemäßer Kontext“...

Lightning Seeds, wie gesagt, keine Unbekannten mehr, haben im Info ihrer Plattenfirma einen ordentlichen Klopfer mit auf den Weg bekommen: „'Ohne Zweifel ein weiterer Meilenstein...' Dieser spontane Gedanke wird wohl den meisten beim Hören der neuen L.S.-Single 'Life's Too Short' durch den Kopf gehen.“

Ich wüsste da einen Satz, der womöglich wirklich als 'spontaner Gedanke' den meisten beim Lesen solch eines Satzes in den Kopf kommt. Nicht, dass die Lightning Seeds nicht auch ein paar wirklich tolle Pop-Songs auf 'Tilt' verewigt hätten, wie 'City Bright Stars' oder 'I Wish I Was In Love'.

Lassen wir die Meilensteine also liegen, wo sie fallen und wenden uns noch kurz Gomez zu. Hier findet eine Generation, äh, Meilensteine vergangener Dekaden, lernt nach einer Slayer-Vergangenheit in Mamas Plattenschrank die alten Platten von Tom Waits, Dr. John, den Allman Brothers und Jimi Hendrix kennen und lässt nun mit einer Leichtigkeit und Ausgeruhtheit Funk, Soul, Swamp-Rock, Psychedelica und Folk ineinander fließen, die gemeinhin eher älteren Herren zugetraut wird, so wie auch die Stimme von Ben Ottwell so gar nicht einem Typen Anfang zwanzig zu entstammen scheint. Wie ein alter Whiskey – rauchig, voll und weich. Dafür lasse ich zwar garantiert nicht den Besuch des am gleichen Abend stattfindenden Motorpsycho-Konzerts sausen, aber ich bedaure die Synchronizität, die mir die Entscheidung abnötigt. Andreas Schnell

Am Freitag ab 19 Uhr im Pier 2