Satanische Verve

Wanderprediger des Wortes: Die Band 16 Horsepower überrascht mit alttestamentarischem Zorn und Bibelfestigkeit. Von der wachsenden Christian-Rock-Szene in den USA werden sie trotzdem geschnitten

In den frühesten Erinnerungen von David Eugene Edwards spielt sein Großvater eine entscheidende Rolle. Der wetterte als Wanderprediger von den Kanzeln des tiefsten Südens der USA. Edwards’ Großmutter vertrieb sich die Zeit vorzugsweise auf Friedhöfen und sprach bei Begräbnissen mit den aufgebahrten Toten.

Der mittlerweile 32-jährige Enkel trägt Schwarz wie ein Priester, ist streng gläubig wie sein ebenfalls als Prediger tätiger Vater, aber hat die Kanzel mit der Bühne vertauscht. Dafür sieht er seine Band 16 Horsepower als Sprachrohr Gottes. Sein manischer Gesang jedenfalls ist offensichtlich beeinflusst von seinen frühkindlichen Erfahrungen.

„Ich bin Musiker“, stellt David Eugene Edwards mit Nachdruck richtig, „kein Prediger“. Doch die Grenzen zwischen diesen beiden Bereichen verschwimmen auch auf „Secret South“, dem gerade erschienenen dritten Album von 16 Horsepower. Denn auch wenn die Platte leiser und sparsamer instrumentiert ist als ihre Vorgänger, wirkt sie in ihrer Transparenz fast noch bedrohlicher als die Ausbrüche früherer Tage. Der alttestamentarische Zorn ist nur leicht gezügelt.

Dafür macht Edwards den Einfluss seiner ungläubigen Mitmusiker ebenso verantwortlich wie sein Alter. „Wir wollten mehr Raum lassen für Stille“, sagt er und meint wohl die Stille, in der Gott sich offenbart. „Ja, ich glaube, dass Gott seine Gläubigen benutzt, um durch sie zu sprechen. Und ich hoffe, dass Gott diese Band benutzt, um sein Wort zu verkünden.“

Dieses Wort ist flammend und beunruhigend und inspiriert von der Heiligen Schrift, nicht nur in Songs wie „Burning Bush“. Der im Gespräch so freundliche wie reservierte Edwards erzählt begeistert von Menschen aus dem Süden der USA, „die niemals zur Schule gingen, weder lesen noch schreiben können, aber die Bibel von vorne bis hinten auswendig rezitieren.“

Seine Sprache scheint direkt aus den frühen Kapiteln des Buches der Bücher zu stammen, die Texte sind voller blutiger Gewaltverbrechen, Strafgerichte und Verdammnis. Der Fehler, den die meisten machen, sagt er, sei der, seine Texte als Worte eines strafenden, zornigen Gottes zu interpretieren, dabei rede er nur von sich selbst. „Ich erzähle Geschichten, die aus meinem Innersten kommen“, so Edwards, „ich vergewaltige nicht und bringe niemanden um, aber das bedeutet nicht, dass ich nicht sündige, dass ich nicht negative Gefühle wie Eifersucht, Verbitterung oder Hochmut fühle. Und diese Gefühle stehen zwischen mir und Gott, auch wenn sie nicht im Tun manifestiert werden.“

Von der in den Staaten immer größer werdenden Christian-Rock-Szene allerdings werden 16 Horsepower nur misstrauisch beäugt. „Die meisten im Musikgeschäft halten mich für verrückt.“ Während von den Christenrockern durch die Bank entweder besinnlich Folkiges oder dröger Mainstream-Rock gepflegt wird, spielt das Trio aus Denver, Colorado, einen bösen, ja fast satanischen Mix aus Country, Folk und Gospel mit Punkattitüde, covert Joy Division ebenso wie Bob Dylan, den Edwards als größten Einfluss angibt. Dass Edwards auf einem antiken Banjo, einer Orpheum-Gitarre von 1930 und einem mehr als 100 Jahre alten deutschen Bandoneon spielt, gehört ebenso zum Konzept wie das von vergilbten Fotos von den Frontier-Helden der Jahrhundertwende inspirierte Erscheinungsbild. Doch am markantesten bleibt Edwards’ Stimme, die oft mit der des von ihm ebenfalls verehrten Jeffrey Lee Pierce verglichen wird. Die schraubt sich aus den tiefsten Abgründen der Seele bis in eine befreiend hohe Katharsis und entwickelt dabei eine unglaubliche hypnotische Kraft.

Sollte Gott doch noch vorgesehen haben, ihn zum Prediger zu machen, sagt Edwards, „dann werde ich auch Prediger. Aber ich hoffe, dass meine Musik eine Art von Gottesdienst und Anbetung ist.“ So gesehen ist Edwards dann doch der Familientradition treu geblieben.

THOMAS WINKLER

16 Horsepower: „Secret South“ (Glitterhouse) Tour: 18. 5. Berlin, 19. 5. Dresden, 20. 5. Hannover, 21. 5. Hamburg, , 23. 5. Bochum, 24. 5. Bielefeld, 25. 5. Heidelberg, 27. 5. München