Knast für kleine Ladendiebe

In Australien wandern vor allem Aborigines für Kleindelikte ins Gefängnis. Kritik der UNO weist die Regierung als Einmischung von außen zurück

BERLIN taz ■ Ein Jahr Gefängnis für den dritten kleinen Ladendiebstahl im Bundesstaat Western Australia. 28 Tage Haft für einen Minderjährigen beim zweiten Kleindelikt im Northern Territory. Solch drastische Strafen sind in den beiden australischen Bundesstaaten seit 1996 vorgeschrieben. Schon damals gab es Kritik. Doch seit im Februar ein erst 15-jähriger Ureinwohner im Gefängnis Selbstmord beging, nachdem er wegen Diebstahls von Schreibstiften zu 28 Tagen Haft verurteilt worden war, ist die innenpolitische Debatte wieder voll entbrannt. Denn obwohl die obligatorischen Haftstrafen zwar für Delinquenten aller Hautfarben gelten, betreffen sie in der Praxis zehnmal mehr Aborigines als Weiße. In Australien sind 15 Prozent der Gefängnisinsassen Aborigines, die aber nur 1,5 Prozent der Bevölkerung zählen.

Ein von dem grünen Senator Bob Brown eingebrachter Antrag im Oberhaus verlangt von der Regierung in Canberra, die umstrittenen Gesetze der beiden Bundesstaaten aufzuheben. Doch die konservative Regierung von Premierminister John Howard schreckt davor zurück und wird mit ihrer Mehrheit im Unterhaus wohl einen entsprechenden Antrag ablehnen.

Vergangene Woche bekamen die Kritiker der Haft bei Kleindelikten Unterstützung von der UNO. Das UN-Komitee für die Abschaffung der Rassendiskriminierung warf Australiens Regierung bei seiner Sitzung in Genf vor, diese Strafen würde die Aborigines diskriminieren. Außerdem würden sie gegen die UN-Konvention zum Schutz der Rechte von Kindern verstoßen und die Richer in ihrem Urteil einschränken.

Doch wie die Regierung des Northern Territory Kritik aus dem Süden des Landes zurückweist, verwahrt sich auch Australiens Regierung gegen Kritik von außen. „Wir sind reif genug, um selbst zu entscheiden“, sagt Premierminister John Howard. Doch Australiens Menschenrechtskommissar Chris Sidoti fühlt sich dabei an Länder wie China oder Malaysia erinnert. „Die Statements von Howard stellen uns auf eine Stufe mit den schlimmsten Menschenrechtsverletzern der Welt, die immer sagen, die internationale Gemeinschaft habe kein Recht, die Menschenrechte in ihrem Land zu kommentieren.“

Nach Genf schickte die Regierung eigens den Minister für Einwanderung und Migration, Philip Ruddock. Er berät auch Premier Howard in Fragen der Versöhnung mit den Ureinwohnern. Gegenüber der taz erklärte Ruddock bei seinem Besuch in Berlin vergangene Woche, die Mitglieder des UN-Komitees beriefen sich nur auf Informationen von Nichtregierungsorganisationen. Andere Regierungen würden Canberra dagegen nicht kritisieren. Als Beweis dafür nannte der Minister, den in Berlin ein Anstecker von amnesty international zierte, die deutsche Regierung. Die habe das Thema in Berlin überhaupt nicht angesprochen.

Genauer beobachtet wird Australiens Verhalten dagegen in Südostasien. Dort wird daran erinnert, dass Canberra bei der Intervention gegen Menschenrechtsverletzungen in Osttimor die Führung übernahm. Die Zeitungen Bangkok Post und Jakarta Post werfen Canberra jetzt Heuchelei vor. SVEN HANSEN