Nur echte Linke an die Macht

Vor der Wahl der Grünen-Chefs können sich weder Künast noch Radcke auf die Stimmen des linken Flügels verlassen. Ströbele: „Wir müssen uns unterhalten.“ Möglich, dass die Linken einen dritten Namen ins Spiel bringen

von PATRIK SCHWARZ

Zwei der drei Bewerber für den Vorsitz der Grünen zählen sich zum linken Spektrum – doch führende Linke in der Partei bezweifeln, dass Antje Radcke und Renate Künast geeignete Kandidaten sind. Sowohl Künast, die derzeitige Fraktionsvorsitzende im Berliner Abgeordnetenhaus, als auch die bisherige Bundesvorstandssprecherin Antje Radcke müssen sich darum bei zwei geplanten Treffen der Linken auf Widerstand gefasst machen.

Die Bundestagsabgeordnete Annelie Buntenbach kritisierte gegenüber der taz, weder in der Sozialpolitik noch in der Frage deutscher Militäreinsätze hätten Radcke und Künast linke Positionen vertreten. Die Linken lehnten eine deutsche Beteiligung an Einsätzen wie im Kosovo ab, sagte Buntenbach, „und das ist weder bei Antje Radcke noch bei Renate Künast der Fall“. Außerdem sehen die Linken die soziale Gerechtigkeit gefährdet, weil die rot-grüne Regierung das Sparpaket durchzieht, eine Vermögenssteuer ablehnt und Veräußerungsgewinne von Großkonzernen von Steuern befreien will. „In all diesen Fragen haben weder Radcke noch Künast sich entsprechend eingemischt“, kritisierte die Abgeordnete. Buntenbach zählt seit dem Kosovo-Krieg zu den Wortführern der Linken in der Bundestagsfraktion.

Auch Christian Ströbele gab sich gestern skeptisch. „Wir lesen mit Interesse, dass Renate Künast als eine Linke gilt“, sagte der Bundestagsabgeordnete spöttisch. Ströbele betonte, bisher gebe es noch keine Beschlusslage, wen die Linken in der Partei bei der Wahl des sechsköpfigen Bundesvorstands auf dem Parteitag Ende Juni in Münster unterstützen wollen. „Es werden zwei Kandidatinnen als Kandidatinnen der Linken gehandelt“, sagte Ströbele, „mit denen müssen wir uns jetzt unterhalten.“ Für Anfang April und Mitte Mai kündigte er zwei Treffen von Linken in der Bundestagsfraktion, aus den Landesverbänden sowie der bundesweiten Initiative „BasisGrün“ an. Denkbar ist dabei offenbar auch die Nominierung eines weiteren Linken für einen der beiden Vorsitzendenposten. „Es gibt natürlich ein Interesse, unsere Positionen an prominenter Stelle vertreten zu sehen“, sagte Buntenbach, „ob sich das auf die Vorsitzendenposten beziehungsweise den Bundesgeschäftsführer bezieht, müssen wir sehen.“ Alternativ kämen die Beisitzerposten in Frage. „Wir sind dabei, uns zu organisieren“, kündigte Ströbele an.

Hintergrund der Mobilisierung ist das gewachsene Selbstbewusstsein der linken Strömung bei den Grünen. „Auch bei den Realos hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass wir ein wichtiger Teil der Partei sind“, meint Ströbele. In seinen Augen hat vor allem das schlechte Abschneiden der Grünen bei den letzten Landtagswahlen der realpolitisch orientierten Mehrheit deutlich gemacht, dass die Grünen auf die Unterstützung linker Wählerkreise nicht verzichten können. „Wir werden gebraucht“, gab sich der Abgeordnete überzeugt. Entsprechend habe sich der Ton in der Partei verändert. „Noch vor einem Jahr hieß es, die Partei sollte zur grünen FDP werden und die neue Mitte stürmen.“ Dieser Trend sei abgeflaut. Es werde nun bei den Parteistrategen deutlich registriert, dass der Anteil der Linken unter den Grünwählern rund 30 Prozent betrage. Entsprechend klar sei, „wenn dieses Drittel wegbricht, schaffen wir die Fünfprozenthürde nicht mehr.“

Die relative Schwäche seiner Strömung führt Ströbele auch darauf zurück, dass die Linken ihre Vertreter in herausgehobenen Positionen bisher zu wenig unterstützt hätten: „Wir haben uns häufig zu spät in Diskussionen eingeschaltet.“