ÖTV und Schily im Tarifstreit

Gewerkschaften fordern zum Auftakt 5 Prozent mehr. Arbeitgeber unter Leitungdes Bundesinnenministers wollen in Höhe der Inflationsrate abschließen

STUTTGART/FRANKFURT ap/dpa ■ Mit einem heftigen Schlagabtausch haben gestern in Stuttgart die Tarifverhandlungen für die 3,1 Millionen Arbeiter und Angestellten des öffentlichen Dienstes begonnen. Dabei klafften die Vorstellungen von Gewerkschaften und Arbeigebern weit auseinander. ÖTV-Chef Herbert Mai bekräftigte die Forderung nach 5 Prozent mehr Lohn und Gehalt. Ferner fordert die Gewerkschaft die stufenweise Angleichung der Ostbezüge an das Westniveau. Der Verhandlungsführer des Bundes, Innenminister Otto Schily, sagte dagegen, schon einen Abschluss im Rahmen der Inflationsrate könnten die Arbeitnehmer als „ganz großen Erfolg“ verbuchen. Erwartungsgemäß legten die Arbeitgeber von Bund, Ländern und Gemeinden kein Angebot vor.

Auch bei den letzten fünf Abschlüssen hätten ÖTV und DAG immer Vereinbarungen unter der Teuerungsrate akzeptiert, sagte Schily in der ARD und verwies auf die schlechte Kassenlage des Bundes. Er strebe einen Abschluss an, der länger als ein Jahr gilt. Die Tarifgespräche müssten im Umfeld des Konsolidierungsprogramms der Bundesregierung gesehen werden.

ÖTV-Chef Mai wies die Forderung nach der Beschränkung auf einen Inflationsausgleich kategorisch zurück. Bei den aktuellen Verhandlungen stehe die Angleichung der Einkommen im Vordergrund. „Wir werden einen weiteren Stillstand nicht dulden.“ ÖTV und DAG wollen außerdem mehr Ausbildungsplätze und eine bessere Altersteilzeit durchsetzen.

Unterdessen ist der Tarifkonflikt der Metall- und Elektroindustrie zumindest in Westdeutschland beendet. Einen Tag nach dem überraschenden Durchbruch sprach sich der Arbeitgeberverband Gesamtmetall dafür aus, den Abschluss von Nordrhein-Westfalen auf ganz Deutschland zu übertragen. Nach dem Willen von Gesamtmetall-Präsident Werner Stumpfe soll in den neuen Bundesländern „auf Punkt und Komma das Modell Düsseldorf“ übernommen werden.

In Ostdeutschland geht der Tarifstreit allerdings vorerst weiter. In Mosel bei Zwickau traten rund 5.000 Beschäftigte des VW-Werks in den Warnstreik. Einen Tag vor der nächsten Verhandlungsrunde für die sächsische Metallindustrie in Radebeul bei Dresden forderten sie die 100-prozentige Angleichung der Tarife an das Westniveau.