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: Ein neues Partykonzept für Berlin: Aggressive Spending

SAUER VERDIENTE ZERSTREUUNG

Berlin ist eine schöne Stadt. Sie hat das Brandenburger Tor, den Fernsehturm und elegante Cocktailbars. Und: Sie hat keine Sperrstunde. Wenn die Cocktailbars im Morgengrauen schließen, feiern die Berliner immer weiter und gehen ausgelassen tanzen in den unzähligen Clubs und Discos der Stadt. Berlin hat eine abwechslungsreiche kulturelle Landschaft mit vielen interessanten Aspekten. Berlin ist das fortwährende Leben im Extrem, jeden Tag erfinden sich die Menschen neu.

Doch gerade weil Berlin auch international hohes Ansehen genießt, ist es umso wichtiger, schon jetzt über den Tellerrand hinaus zu schauen. Eine pulsierende Metropole braucht ständig neue Impulse. Wie feiern die Menschen also anderswo, was sind schon heute die Partytrends von morgen? Blicken wir also nach Las Vegas.

Die Millionenstadt in der Wüste Nevadas ist nicht nur eine Pilgerstätte der frisch Vermählten, der spielbegeisterten Rentner und der Kenner gewagter Architektur, nein, Las Vegas ist nicht zuletzt für hohe Gewinnausschüttungen im sechsstelligen Bereich bekannt. Einfache Menschen aus aller Welt reisen aus diesem Grund in die abgelegene Wüstenstadt – die Taschen zunächst bescheiden mit dem Ersparten gefüllt, doch ihre Gesichter von Hoffnung beseelt.

Voller Zuversicht fordern sie ihr Schicksal heraus. Und nicht selten haben sie Glück. Las Vegas hat schon so manchen zum Millionär gemacht. Doch was tun mit all dem Geld? Was hat Las Vegas für gesellige, erlebnisorientierte reiche Menschen neben Black Jack, Roulette und dem Einarmigen Banditen sonst noch zu bieten? Die Hotels sind problemlos bezahlbar, ebenso die Restaurants und Diskotheken. Doch wer viel Geld hat, will auch viel Geld ausgeben. Erfahrene Partyspezialisten erkannten das Problem und traten an mit einem neuen Konzept, diese Lücke zu schließen, die schon so lange schmerzlich klaffte: Aggressive Spending. Wie jedes gute Konzept ist Aggressive Spending verblüffend simpel. Man biete das Übliche und berechne das Fünffache, man biete etwas leicht Hochwertigeres und fordere das Zehnfache. Zum Beispiel ein interessanter Jahrgangssekt für 20.000 Dollar, ein Drei-Gänge-Menü, serviert auf dem Porzellan eines verstorbenen Präsidenten, für 40.000. Aggressive Spending ist moderne Dienstleistung, die allen Spaß macht, den Gastgebern und den Gästen.

Auch in Berlin häufen sich die Anzeichen, dass diese Stadt Aggressive Spending dringend braucht. Nachts sieht man vermehrt junge Menschen ziellos durch die Straßen irren und vergeblich nach hart verdienter Zerstreuung suchen. Doch was hat die Stadt an wirklich zeitgemäßer Unterhaltung zu bieten? Im Greenwich (Cookies Bar) verlangt man für einen angemessen durchschnittlich gemixten Caipirinha 25 Mark, im Shark Club kostet ein kühles Bier immerhin 10 Mark.

Die Entwicklung ist lobenswert, reicht jedoch nicht aus. Aus Verzweiflung greifen Vergnügungshungrige daher zum Kokain, legen sich mit Kreditkarten saubere Lines und ziehen den teuren Stoff mit Zweihundertmarkscheinen hoch. Das kann nicht von allgemeinen Interesse sein! Berlin braucht legale Partykonzepte! Wenn Berlin auf Dauer international mithalten will, kommt es an Aggressive Spending nicht vorbei. Doch noch scheint falsche Zurückhaltung und protestantische Gesinnung diesem visionären Partykonzept im Wege zu stehen.

Trendjournalist Ingo Mocek erklärt dazu: „Seit es Arbeit für alle gibt, ist die Freizeit wieder doppelt wichtig. Ob sich Aggressive Spending in Berlin durchsetzen wird, ist allerdings derzeit nicht abzusehen.“ Warten wir es ab. HARALD PETERS