Mit Innovation bestechen

Korruption wird in vielen Firmen nicht mehr als Kavaliersdelikt betrachtet, seit die Bestechung von Geschäftspartnern unter Strafe steht. Und Schmiergelder schaden der Wettbewerbsfähigkeit

von VOLKER SIEFERT

Heute kommen in Berlin Top-Manager deutscher Konzerne zusammen, um sich von amerikanischen Anwälten gegen Korruption schulen zu lassen. Anlass für das Treffen der unfreiwilligen Avangarde ist nicht ein moralischer Sinneswandel, sondern die Tatsache, dass deutsche Manager mit einem Bein im Gefängnis stehen, wenn Sie im Ausland Schmiergeld zahlen.

Seit knapp über einem Jahr gilt die OECD-Konvention, die Auslandsbestechung unter Strafe stellt. „Die meisten Firmen betreten bei der Umsetzung der Konvention völliges Neuland“, sagt Jörg Karenfort von der Anwaltskanzlei Wilmer, Cutler und Pickering, die zu der Veranstaltung eingeladen hat. In den USA, wo als Lehre aus dem Watergate-Skandal der unkontrollierte Fluss von Schmiergeld ins Ausland unter Strafe steht, hat man den deutschen Unternehmen zwanzig Jahre Erfahrung voraus.

Konzerne wie ABB, Siemens oder DaimlerChrysler stellen sich auf die neue Situation ein. Mitarbeiter werden geschult, wie sie ohne Gefälligkeiten ausländische Potentaten als Kunden gewinnen können, in Unternehmensrichtlinien wird Transparenz und Sauberkeit von den Mitarbeitern gefordert. Wer schmiert, wird gefeuert. Doch der Mittelstand ist in Sachen Korruptionsbekämpfung noch Entwicklungsland. Nach einer Umfrage von Transparency International wussten von 770 Managern nur 5 Prozent, dass sie bis zu fünf Jahre hinter deutsche Gitter kommen, wenn sie in Moskau, Djakarta oder Lagos den Big Spender geben.

Was Nichtregierungsorganisationen seit Jahren predigen, sickert nur langsam ins Bewusstsein deutscher Wirtschaftslenker: Korruption im Ausland schlägt wie ein Bumerang in das eigene Unternehmen zurück. Die über Jahrzehnte gefüllten schwarzen Kassen in der Schweiz verlocken Mitarbeiter, sich selbst zu bedienen. Erst kürzlich hat der ABB Strafanzeige gegen einen ehemaligen Manager erhoben, der 16 Millionen Mark Schmiergeld in die eigene Tasche gesteckt haben soll. Ein Novum in der deutschen Unternehmensgeschichte, denn bisher scheuten Firmen das Licht der Öffentlichkeit, das ein Gerichtsprozess mit sich bringt.

Korruption im internationalen Wettbewerb hat ein solches Ausmaß angenommen, dass sie die Gewinne auffrisst. In einer globalen Welt, in der immer mehr Wettbewerber aufeinander treffen, wachsen die Bakschisch-Forderungen spiralförmig nach oben. Längst sind es nicht nur einige schwarze Schafe, die sich durch Korruption Vorteile erhoffen, sondern sie ist allgegenwärtig, beobachtet Peter Eigen, der Vorsitzende von Transparency International: „Korruption ist die absolute Antithese zum freien Wettbewerb. Sie bestraft den, der sich an die Regeln hält, und belohnt den, der geschickt das Gesetz bricht.“

Der Wettbewerbsvorteil durch Korruption kann langfristig zum Nachteil werden: Korruption untergräbt die Innovationsfähigkeit von Unternehmen. Amerikanische Manager sind davon überzeugt, dass ein Teil ihres Erfolges dadurch kommt, dass sie auf den internationalen Märkten durch Innovationen bestechen und nicht durch Geld.

Während die großen Unternehmen von der Kultur der Korruption abrücken, hat der BDI die Zeichen der Zeit noch nicht erkannt. Zum Thema Korruptionsbekämpfung hat der Industrieverband vor fünf Jahren eine Broschüre herausgegeben. Auf sechs schmalen Seiten bekommt der Leser allgemeine Handreichungen: „Bei geschäftlichen Entscheidungen sind geltende Gesetze im In- und Ausland zu berücksichtigen“, oder: „Entschiedenes Vorgehen gegen Korruption beginnt bei der Unternehmensleitung.“ Korruption ist beim BDI immer noch ein heißes Eisen. Als Begründung heißt es in der zuständigen Abteilung: Engländer und Franzosen hätten durch ihre Kolonialvergangenheit Wettbewerbsvorteile, da könnten deutsche Unternehmen nicht päpstlicher sein als der Papst.

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