Weltkultur als Milliardengeschäft

Die Museumsinsel geht an die Börse. Stiftung Preußischer Kulturbesitz löst das Weltkulturerbe aus ihrem Vermögen als eigenständige Gesellschaft heraus. Der US-Konzern Cisco will Anteile übernehmen und für acht Milliarden Mark sanieren

BERLIN/SAN FRANCISCO/ST. PETERSBURG taz ■ Das Börsenfieber erreicht die Berliner Kulturlandschaft. Mit einem milliardenschweren Deal will die Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) ihre chronischen Finanzprobleme lösen und sich zugleich zum Global Player in der internationalen Museums- und Ausstellungszene aufschwingen. Die Stiftung plant, die Museumsinsel mit ihren fünf Museen aus dem Vermögen des Preußischen Kulturbesitzes ausgliedern und diese mit Unterstützung des US-Unternehmens Cisco Systems Inc. als eigenständige Gesellschaft mit dem Namen Prussian Art International (PAI) an die Börse zu bringen.

Das berichtet die Zeitung San Francisco Chonicle in ihrer jüngsten Ausgabe mit Bezug auf Informationen von Cisco, das im benachbarten San José sein Hauptquartier hat. Als Vermittler der Gespräche zwischen der SPK und dem US-Computernetzausrüster sei der Staatsminister für Kultur, Michael Naumann (SPD), tätig gewesen.

Der überraschende Coup soll mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen. Die SPK rechnet durch das Engagement von Cisco und den Börsengang mit „etwa sieben bis acht Millarden Mark“, hieß es gestern. Das Geld solle eingesetzt werden, um die zehn Milliarden Mark teure Sanierung der Museumsinsel zu finanzieren, die jüngst zum Weltkulturerbe der Unesco ernannt wurde.

Aus einem eigenen „Zukunftsfonds“ sollen der PAI „mehrere hundert Millionen Mark“ zufließen, mit denen sie weltweit als Aufkäufer von maroden Museen auftreten will. Millionenzuwächse erhoffen sich PAI und Cisco insbesondere durch die weltweite Vermarktung der Bildrechte aus den Museen. Vorbild der Kooperation ist die Restaurierung der Sixtinischen Kapelle (Rom) durch Sony 1998, das sich im Gegenzug 20 Jahre das gesamte Marketing der Michelangelo-Fresken gesichert hat.

„Wir lösen mit der Museumsinsel die Perle aus der Stiftung Preußischer Kulturbesitz“, sagte SPK-Präsident Klaus-Dieter Lehmann, „aber nicht, um sie vor die Säue zu werfen, sondern, um sie zum Diamanten zu schleifen.“ Rechtzeitig zum Preußen-Jahr 2001 (vor 300 Jahren wurde der preußische Kurfürst Friedrich in Königsberg zum „König in Preußen“ gekrönt) sollen Aktien der PAI ausgegeben, aber nicht an der Börse gehandelt werden.

Mit dem Geld sollten nicht nur die maroden preußischen Kulturschätze erhalten werden. „Als Weltkulturerbe haben wir auch ein weltweite Verpflichtung“, so Lehmann. So gebe es Überlegungen, sich an der Rettung von Venedig, dem Wiederaufbau der weltbekannten Maya-Pyramide Ptoptakely zu beteiligen und die maroden Museen in St.Petersburg zu übernehmen. Auf diese Weise werde sich „das Problem um die deutsche Beutekunst in St. Petersburg von selbst lösen“, hofft Berlins Museumschef Klaus Peter Schuster.

Michael Naumann begrüßte die Initative von SPK und Cisco. Solange garantiert sei, dass die deutsche staatliche Seite eine Mehrheit in der PAI halte, sei dies eine „zukunfstweisende Form der Public-Private Partnership“, sagte Naumann zur taz. Zugleich bestätigte er seine Rolle als Vermittler: „Die Amerikaner sind an mich herangetreten, und ich habe den Kontakt hergestellt.“

Der kalifornische Cisco-Konzern ist seit dieser Woche das wertvollste Unternehmen der Welt. Der Computernetzausrüster mit einem Börsenwert von über 550 Milliarden Dollar (etwa 1,1 Billionen Mark) will nach dem Bericht des San Francisco Chronicle sein Image steigern, indem er als Mäzen auftritt. Ähnlich wie Bill Gates oder Ted Turner wolle der Cisco-Vorstand einen Teil des Gewinns gemeinnützigen Zwecken zuführen. Neben sozialen und kulturellen Projekten in den USA stünden auch europäische Projekte auf der Liste, weil Cisco hier verstärkt expandieren wolle.

Der Einmarsch des großen Geldes auf der Museumsinsel war in der Vergangenheit in Berlin offensichtlich nicht unumstritten. Die zurückgetretene Kultursenatorin Christa Thoben (CDU) habe sich öfters „vehement gegen den Ausverkauf der Kulturdenkmäler“ gewandt, hieß es aus Senatskreisen. Der designierte Kultursenator Christoph Stölzl signalisierte gestern, dass es von seiner Seite keinen Widerstand gegen die Pläne von Cisco und PAI gebe.

BERNHARD PÖTTER

GEREON ASMUTH

ROLF LAUTENSCHLÄGER