Öko-Mode in Gold und Silber

Ein neues Siegel schafft Klarheit bei Naturtextilien. Doch wird sich erst gegen Ende des Jahres zeigen, wiedas Zertifikat von Herstellern und Verkäufern angenommen wird. Einzuhalten sind auch soziale Standards

In Zukunft können Verbraucher klar erkennen, ob Naturmode tatsächlich ökologisch hergestellt wurde. Der Internationale Verband der Naturtextilwirtschaft (IVN) hat nach einjähriger Vorbereitung die Kriterien für ein einheitliches Logo vorgestellt. Mit der Definition von sozialen Standards und deren externer Kontrolle setzen die Ökomode-Hersteller Maßstäbe für die ganze Branche.

Tributylzinn (TBT), Allergie auslösende Farbstoffe, nervenschädigende Phosphorverbindungen: Die regelmäßigen Schadstofffunde in T-Shirts, Babywäsche und anderen Textilien haben in den letzten Jahren den Herstellern von Naturmode wachsende Umsätze beschert – und ein Problem. Denn längst nicht alle angebotenen „Öko“-Kollektionen und schadstoffgeprüfte Textilien erfüllen tatsächlich die Erwartungen der Verbraucher an eine umweltverträgliche Herstellung. Um einen klaren Wegweiser im Dschungel der Öko-Siegel zu schaffen, haben sich vor gut einem Jahr Zulieferer, Hersteller und Versender von Naturtextilien zum IVN zusammengeschlossen. Im Januar stellten die fast 100 Mitglieder des Verbandes die Richtlinien für ein einheitliches Label für Naturmode vor. Sie gelten nicht nur für das Endprodukt, sondern erfassen die ganze textile Kette, von der Fasergewinnung über Weben und Färben bis hin zum Versand. Auch gängige Gebrauchseigenschaften wie Licht- und Farbechtheit werden überprüft.

Das neue Zeichen wird es in zwei Qualitätsstufen geben: „Best“ steht für maximale ökologische Ansprüche, die derzeit nur von einigen Produkten erreicht werden, aber von allen angestrebt werden sollen. „Better“ geht einige Kompromisse ein, damit eine breite Palette auch technisch aufwendiger Textilien auf immer noch hohem ökologischem Niveau hergestellt werden kann. Deutlich wird der Unterschied bei Fasern, die – anders als Baumwolle – nicht ausreichend aus ökologischem Anbau angeboten werden. So genügt bei Leinen und Hanf für den „Better“-Standard konventioneller Anbau mit Rückstandskontrollen auf Pestizide.

Auch bei der Vorbehandlung und Färbung gibt es Unterschiede. Die wesentlichen Anforderungen sind jedoch gleich: Zahlreiche konventionelle Verfahren wie Chlorbleiche und die Ausrüstung mit Flammschutz, Antistatika, Mottenschutz oder Bioziden sind verboten. Das gilt auch für bedenkliche Chemikalien wie Phenole, halogenierte Lösemittel oder Formaldehyd. Auch sämtliche Stoffe, die nach dem deutschen Chemikaliengesetz als kanzerogen, mutagen, reproduktionstoxisch oder sensibilisierend eingestuft sind, dürfen nicht eingesetzt werden.

Für die Ausstattung von Verarbeitern mit Kläranlagen, die Abbaubarkeit der Hilfsstoffe und die Giftigkeit der Abwässer gibt es strenge Vorgaben. Weil Pflanzenfarben nicht in allen Fällen zur Verfügung stehen, wird der Verzicht auf synthetische Farbstoffe nur empfohlen. Diese müssen jedoch ökologisch verträglich und frei von Chlor oder Schwermetallen sein.

Eingehalten werden müssen von allen Zulieferern und Herstellern auch soziale Standards in ihren Betrieben. Sie richten sich nach den Normen der internationalen Arbeitsorganisation ILO. Dazu zählt die Zahlung des gesetzlich vorgegebenen Mindestlohns, eine maximale Arbeitszeit von 48 Wochenstunden, Ausschluss von Kinderarbeit, Gewerkschaftsfreiheit, Gleichberechtigung und die soziale Sicherheit der Arbeiter im Falle von Krankheit oder Arbeitsunfällen, bei Arbeiterinnen zudem bei Schwangerschaft.

Vorbildlich ist auch die externe Kontrolle. Neben den Verbänden, die den ökologischen Anbau der Fasern garantieren, überprüfen ein Messlabor und ein Zertifizierer aus der Biobranche die Einhaltung der Regeln. Jährliche Kontrollbesuche und Stichproben auf Schadstoffe sowie die Offenlegung aller Herstellungsunterlagen sind Pflicht. Diese Vorgaben erhöhen den Druck auf die ganze Textilbranche, die in weiten Bereichen immer noch auf Kinderarbeit und Ausbeutung setzt und sich dabei ungern in die Karten schauen lässt. Im Prinzip steht das Logo auch konventionellen Herstellern offen, wenn sie sich der Kontrolle unterwerfen.

Noch halten sich Branchengrößen mit eigenen Öko-Kollektionen wie der Otto-Versand in der Bewertung zurück. Denn erst gegen Ende des Jahres wird sich zeigen, wie das neue Siegel aufgenommen wird. Die ersten 1.400 Produkte sind bereits zertifiziert und finden sich bei manchen Versendern auch schon in den Frühjahr/Sommer-Katalogen. Im Herbst wird das Zeichen dann in großen Mengen Naturtextilien zieren. Denn der IVN schreibt seinen Mitgliedern vor, alle geeigneten Produkte auch tatsächlich zur Zertifizierung anzumelden.

LEO FRÜHSCHÜTZ