Die typische Belgrader Taktik

Montenegros Präsident Milo Djukanovic muss Verbündete suchen. Zwar will er eine direkte Konfrontation mit Milosevic vermeiden. Aber die Anhänger des jugoslawischen Präsidenten in der kleineren Teilrepublik werden immer aktiver

von ERICH RATHFELDER

Überall auf den Straßen Montenegros ist serbisches Militär präsent. Gleichzeitig hat die montenegrinische Polizei an vielen Stellen Kontrollpunkte errichtet. Seit der Milošević Gegner Milo Djukanović 1997 Präsident wurde, sind die Sicherheitskräfte der kleineren Teilrepublik Jugoslawiens zielstrebig aufgerüstet worden. Heute verfügt Montenegro über Polizei-Sondereinheiten, die mit ihrer Bewaffnung in der Lage sind, regelrecht Krieg zu führen.

Die Lage ist zum Zerreißen gespannt. Doch Djukanović möchte eine direkte Konfrontation vermeiden. Denn die montenegrinische Bevölkerung zerfällt politisch in zwei Lager. Vor allem die orthodoxen Bewohner an der Grenze zu Serbien, im so genannten Sandžak, halten zu Milošević und seinem montenegrinischen Bündnispartner Momcilo Bulatović. Auch im Staatsapparat sind die Anhänger Belgrads nach wie vor stark. Im montenegrinischen Kernland dagegen, in der Hauptstadt Podgorica und der historischen Metropole Cetinje, steht die Mehrheit der Bevölkerung der insgesamt lediglich 600.000 Einwohner der Republik fest zu ihrem Präsidenten Djukanović.

Das pro-serbische Lager kritisiert vor allem, dass Djukanović seinen Wahlsieg nationalen Minderheiten verdankt – den Muslimen des Sandžak und den Albanern in der Grenzregion zu Kosovo und Albanien. Seit Wochen versuchen Milošević’ Leute, die Anhängerschaft des Präsidenten zu spalten. Ziel sei es, ihn zu entmachten und die Institutionen des Staates mit Milošević-Leuten zu besetzen, erklärte Djukanović am Dienstag auf einer Pressekonferenz in Podgorica.

Selbst nahen Mitarbeitern – so dringt aus informierten Kreisen – seien Posten in einer neuen Milošević-freundlichen Regierung angeboten worden. Auch wird ein neuer Fernsehsender aufgebaut, der serbische Kanäle nach Montenegro bringen soll. Das dortige Staatsfernsehen unterstützt bislang Djukanović. Doch selbst aus den Reihen von dessen Polizei werden Pro-Milošević-Demonstrationen organisiert. Es scheint, als wolle Milošević in Montenegro mit der gleichen Taktik arbeiten, die er seit Beginn des Kriegs in Slowenien 1991 immer wieder verwendet: Zuerst werden die Massenmedien auf Kurs gebracht, dann Teile der Bevölkerung mobilisiert, dann die Armee eingesetzt. Noch steht die Front der Djukanović-Treuen. In Cetinje sind seine Anhänger weit in der Mehrheit. Dort wird sogar eine montenegrinische Freiwilligenarmee aufgebaut.

Djukanović nahestehende Militärexperten gehen davon aus, dass Milošević in einem Kriegsfall zunächst gegen die Minderheiten vorgehen wird. „Zuerst werden die serbischen Truppen versuchen, gegen die Muslime des Sandžak und die Albaner vorzugehen. Sie rechnen damit, dass wir diesen Leuten nicht helfen werden. Dann werden sie die Küste mit ihren Truppen kontrollieren wollen.“ – „Tun sie das schon jetzt?“ Keine Antwort. Derweil meinen diplomatische Kreise im Kosovo, Montenegriner hätten Waffen an die Muslime des Sandžak geliefert. Beweise gibt es jedoch nicht. Realistischer sind dagegen Gerüchte, albanische Kämpfer der ehemaligen UÇK stünden bereit, jederzeit nach Montenegro zu gehen, um die dort ansässige albanische Minderheit zu unterstützen.

Auch Djukanović ist aktiv geworden. Bei Besuchen in Bosnien und Kroatien versuchte der montenegrinische Präsident, Rückendeckung zu erhalten. Insbesondere beim kroatischen Präsidenten Stipe Mesić dürfte er offene Ohren für seine Wünsche gefunden haben. Im Falle eines Falles müssen die Montenegriner einen offenen Weg nach Kroatien haben. Dies ist auch Nato-Militärs und vielen Diplomaten der internationalen Gemeinschaft bewusst. Die Signale des Westens an die Adresse Milošević’ in bezug auf Montenegro seien in letzter Zeit eindeutiger geworden, verlautet aus diplomatische Quellen. Hohe US-amerikanische Diplomaten schließen sogar eine Nato-Militärintervention mit Bodentruppen nicht mehr endgültig aus.