Die Pflicht ruft auch nach Afrika

Lustlos und hektisch absolviert Außenminister Fischer seine mehrfach verschobene Afrikareise. Kritik an seiner Afrikapolitik macht ihn aber munter

aus PretoriaKORDULA DOERFLER

Tief hängen die grauen Wolken über Südafrika, wie schon seit Wochen in diesem Sommer, der so verregnet ist wie lange keiner mehr. Joschka Fischers Gesichtsfarbe ähnelt der des Himmels. Grau, verkniffen, eröffnet er die Sitzung der Binationalen Kommission in Pretorias Regierungspalast. Könnten die Büsten der früheren weißen Premierminister in ihren Nischen die Gesichter verziehen, würden sie vermutlich auch verkniffen blicken. Ein ehemaliger Todfeind des Regimes, ein Kommunist, hält eine Rede für einen früheren linken Hausbesetzer.

Der schwarze Apartheidgegner Jacob Zuma, Vizepräsident Südafrikas, und Joschka Fischer stehen einem fast vergessenen Gremium vor, eben der Binationalen Kommission, die „Fragen des gemeinsamen Interesses“ erörtern und die engen Beziehungen zwischen beiden Ländern vertiefen soll. Das ist so langweilig, wie es klingt. Und Zuma ist wahrlich kein flammender Redner. Fischer, man kann es ihm ansehen, ist weit weg, zu Hause, bei der leidigen Innenpolitik.

Südafrika ist die letzte Station seiner ersten längeren Afrikareise und die unafrikanischste. Nach dem brodelnden Nigeria und dem überschwemmten Mosambik hat die biedere Regierungshauptstadt Pretoria etwas Irreales. Hier funktioniert alles, es gibt genug Benzin und Telefone, es ist angenehm kühl. Undenkbar, dass kein Benzin für die Maschine eines Staatsgastes da ist. So war es in Nigeria, einem der größten ölproduzierenden Staaten der Welt. Mit vier Stunden Verspätung musste Fischer Richtung Mosambik abfliegen. Für die deutschen Hubschrauberpiloten im Überschwemmungsgebiet blieben nur 20 Minuten.

Die Tour des Ministers ist hektisch, es bleibt kaum Zeit zur Besinnung. Und wenig Zeit, als Außenminister zu glänzen. Ein nacktes Pflichtprogramm absolviert er in Südafrika: Gespräche beim Präsidenten, bei der Außenministerin. Nicht einmal ein schwarzes Township besucht der Minister. Selbst Helmut Kohl war in Soweto. Joschka Fischer nicht.

Erst abends beim Essen mit deutschen Auslandskorrespondenten taut Fischer auf. Anfangs stocksauer, später fast mit Lust verteidigt er sich gegen das, was ihm schon während seiner ganzen Reise vorgeworfen wurde: dass es viel zu lange gedauert hat, bis er nach Afrika gereist ist. Dass jegliche Ansätze deutscher Afrikapolitik verschwunden sind. Dass das gerade für einen grünen Außenminister ein Armutszeugnis ist. Dass selbst sein Vorgänger Kinkel und der erzkonservative Entwicklungshilfeminister Carl Dietrich Spranger mehr Interesse an dem Kontinent hatten. Das mag sich Fischer nicht gefallen lassen. Messerscharf seziert er die angeblichen Interessen der Kohl-Regierung, die Haushaltsbeschränkungen, denen er unterliegt, die Probleme, die Europa mit sich selbst hat, den eingeengten Handlungsspielraum gegenüber den Großmächten.

Nur: All das macht die Kritik nicht falsch. Und es hilft auch nichts, wenn Fischer blafft, er sei doch schon mal in Afrika gewesen, auf der Konferenz der AKP-Staaten in Dakar. Ein schlüssiges Konzept ersetzt das nicht, das weiß er selbst. Mehrmals hat er seine Reise verschoben, wegen des Kosovo-Krieges, wegen des Wahlkampfs in Schleswig-Holstein. Und sich dann Länder ausgesucht, die Hoffnungsträger des Kontinents sind: Nigeria und Südafrika, die wirtschaftlichen Supermächte, und Mosambik, vor der Flut ein kleines Wirtschaftswunder.

„Wir müssen regionale Zusammenschlüsse stärken“, heißt das neue Credo des deutschen Außenministers. Also zum Beispiel die SADC, die Entwicklungsgemeinschaft Südliches Afrika, der alle Staaten der Region angehören. Mit Ausnahme von Südafrika und Malawi hat sie im Fall der Flutkatastrophe grandios versagt. Nicht gerade ermutigend.

Am nächsten Morgen scheint endlich die Sonne. Die Afrikapolitik ist aber immer noch eine komplizierte Sache. „Ein Gesamtkonzept von Kairo bis Kapstadt, ein Pauschalansatz der deutschen Afrikapolitik macht wenig Sinn“, sagt Fischer am Nachmittag an der Universität von Johannesburg in einer Grundsatzrede. Das war ihm wohl auch vorher klar (siehe unten stehenden Artikel). Demokratie und Menschenrechte müssten gefördert werden. Schöne Worte, doch auch Nachdenkliches. „Ein universal gültiges Demokratiemodell, das man einfach übertragen könnte, gibt es nicht.“

Dann fliegt der deutsche Außenminister nach Kairo weiter, an den nördlichen Rand des Kontinents, eine Stadt, auf ihre Art unafrikanisch wie Pretoria: zum Afrikagipfel der EU.