Kampf der Bevölkerung

Weil einigen Abgeordneten Hans Haackes Reichstagsprojekt zu deutschfeindlich ist, wollen sie es gegen die zuständigen Gremien zu Fall bringen. In der taz verteidigt Haacke sein Vorhaben

BERLIN taz ■ Am Mittwoch wird der Bundestag darüber abstimmen, ob Hans Haackes Kunstwerk „Der Bevölkerung“ im Reichstag realisiert werden darf. Das ist ein einmaliger Vorgang in der Geschichte des Parlaments – schließlich wurde der in New York lebende Künstler von einem durch alle Bundestagsabgeordneten legitimierten Gremium, dem Kunstbeirat des Bundestages, eingeladen, das mehrheitlich sein Kunst-am-Bau-Vorhaben beschlossen hat.

Während 1994 die Entscheidung für die „Reichstagsverhüllung“ durch Jeanne-Claude und Christo vom Parlament gefällt wurde, weil es das Hausrecht im Reichstagsgebäude hat, müssen sich die Bundestagsabgeordneten im Fall Haacke über die von ihnen selbst gewählte Kommission aus Kunstsachverständigen hinwegsetzen. Deshalb wenden sich zahlreiche Museumsdirektoren, Kuratoren und Künstler in einem heute publizierten offenen Brief gegen die Entscheidung, weil damit „in kunstfernen Institutionen mit Mehrheiten über Kunst abgestimmt wird“.

Für einen solchen Bruch mit dem Prinzip, ästhetische Fragen an kompetente Gremien zu delegieren, hat sich vor allem der kulturpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Norbert Lammert mit einer Unterschriftenaktion gegen Haacke eingesetzt. Er hält dessen Konzept, je einen Zentner Erde aus allen 669 Wahlkreisen nach Berlin zu transportieren, um sie in ein Beet mit der Inschrift „Der Bevölkerung“ zu schütten, laut Frankfurter Allgemeine Zeitung für„albern und unangemessen“. Die Bedenken, dass Abgeordnete bei Abstimmungen in Kunstfragen überfordert sein könnten, lassen für Lammert „ein prinzipielles Misstrauen gegenüber der Politik im Umgang mit Kunst erkennen“.

Dabei sieht Haackes Arbeit die Einmischung der Parlamentarier vor: Sein Vorschlag beruht auf Freiwilligkeit, wie er im Interview mit der taz erklärte, „wer nicht will, tut einfach nicht mit“. Vielmehr will er mit seinem Kunstwerk eine „symbolische Handlung“ initiieren, um die Giebelinschrift „Dem deutschen Volke“ am Reichstag um den offenen Begriff von Bevölkerung zu ergänzen: „Das betrifft alle im Gültigkeitsbereich des Grundgesetzes Lebenden.“ Zugleich hält er eine Diskussion über sein Kunstprojekt mittlerweile für unmöglich, weil „falsche Informationen“ und „missverständliche Zitate“ gestreut wurden, um die Realisation zu verhindern. Karl Feldmeier hatte Haacke in einem FAZ-Kommentar unter anderem „eine tiefe Aversion“ gegen das deutsche Volk vorgeworfen. HARALD FRICKE