Die Shoah und ihr Widerschein

■ Leichthändig, ohne Larmoyanz: Christiane Richers inszeniert im Fundus-Theater „Der Sommer von Aviha“ nach Gila Almagor

„Ich mochte die kurzen Ärmel bei Mutter nicht, weil man sonst die Nummer auf ihrem Arm sah.“ Eine Frau erinnert sich an Begebenheiten ihrer Kindheit. Es fällt ihr nicht leicht, sie arbeitet es aus sich heraus. Mal geht sie auf analytische Distanz, öfter geht sie in der Erzählung auf. Plappert kindlich, taucht in die Wahrnehmungsebenen von damals ab. Sucht keine Erklärungen, sondern spult vor dem Zuschauer ihren inneren Film ab. Und da nimmt denn auch die Mutter Gestalt an. Morena Bartel ist Aviha, die Tochter, Cordula Nossek ihre Mutter.

„Eigentlich weiß ich nicht sehr viel von meiner Mutter“, gesteht Aviha irgendwann ein. Wirklich erlebt hat sie sie nur einen Sommer, als sie zehn wurde. Vom Vater weiß sie gar nichts. Die Mutter war Partisanin, eine Polin, die Anschläge gegen die Nazis verübte, „den Himmel schwarz machte“. Und kommt später in Israel nicht klar. Weder mit den Dorfnachbarn noch mit sich. „Wann sah ich schon mal, dass Mutter etwas genoss?“ Bis sie sich ganz verliert und wieder in die Klinik muss – und Aviha ins Heim.

Bunte Farben dominieren auf der pfiffigen kleinen Rundbühne (Martin Thomas) im Fundus-Theater. Nichts transportiert optisch die tiefe Trauer, die in Lily Axsters Stück Der Sommer von Aviha nach Gila Almagors Erzählung steckt. Entsprechend leichthändig geht Regisseurin Christiane Richers zu Werk. Durch das auch mal lustige Ringen um Erinnerung an der Oberfläche bricht bestürzend und nachhaltig berührend der Widerschein der Shoah, die seelische Verwundung der Überlebenden, das Leid der kaum verstehenden Nachgeborenen. Fast beiläufig eingeflochten, ohne Larmoyanz schimmert es aus einem Alltagsgeschehen. Über rund eine Stunde schlagen die Spielerinnen die Zuschauer ab zwölf Jahren ganz fest in ihren Bann. Oliver Törner

noch 4. bis 7. April, 10 Uhr, (Fr auch 18 Uhr), Fundus-Theater